Umbruch im Arzneimittelvertrieb in Frankreich
Die französische Wettbewerbsbehörde bereitet eine umfassende Überprüfung des derzeitigen Vertriebssystems vor. Weitgehende Liberalisierungen, insbesondere beim Internetverkauf sowie bei OTC-Medikamenten sind zu erwarten.
Die französische Autorité de la concurrence, die oberste Wettbewerbsbehörde des Landes, hat Ende Februar angekündigt, die bisherigen Vertriebswege für Arzneimittel einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Die Behörde betont dabei selbst die herausgehobene Bedeutung des französischen Marktes, der mit Medikamentenausgaben im Jahr 2011 von insgesamt 34,7 Mrd. € bzw. 532 € pro Kopf weltweit an fünfter Stelle rangiert.
Durch die Untersuchung soll herausgefunden werden, wie durch mehr Wettbewerb eine Senkung der Medikamentenpreise zugunsten der Krankenversicherer und der Patienten erzielt werden kann. Es soll auch überprüft werden, inwieweit der Arzneimittelmarkt durch eine weitere Öffnung für Hersteller aus anderen EU-Staaten reformiert werden kann. Hier weist die Wettbewerbsbehörde auch auf die bisherigen Bestrebungen von europäischer Seite hin.
Vertrieb von Arzneimitteln über das Internet
Ein Schwerpunkt der Beratungen soll eine Regelung für Verkauf von Arzneimitteln im Internet sein. Der Verkauf soll in Zukunft auch für Anbieter aus anderen Mitgliedsstaaten möglich sein - solange dabei sichergestellt ist, dass die französischen Arzneimittelvorschriften eingehalten werden.
In Übereinstimmung mit entsprechenden Rechtakten der EU soll dabei nun eine einheitliche Regelung für alle nicht verschreibungspflichtigen Medikamente gefunden werden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass ein erster Vorstoß in diese Richtung zunächst gerichtlich gestoppt worden war, da hier entgegen europäischer Vorgaben nur diejenigen Medikament erfasst waren, die in den Apotheken zur Selbstbedienung ausgelegt werden dürfen. In einer Neuregelung sollen nun alle nicht rezeptpflichtigen Medikamente erfasst werden.
Verkauf von OTC-Medikamenten
Ein wichtiges Thema wird auch der Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Medikamente außerhalb von Apotheken sein. Die Selbstmedikation ist ebenfalls ein bedeutender Markt, für den die Franzosen 2011 insgesamt 2,1 Mrd. € ausgegeben haben. Hier macht den Wettbewerbshütern Sorgen, dass der Preis für OTC-Medikamente seit 1998 um 47,8 % gestiegen ist – während der Preis für verschreibungspflichtige Medikamente im selben Zeitraum um 24 % gesunken ist.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sollen die in anderen EU-Staaten möglichen Vertriebswege daraufhin untersucht werden, ob sie auch in Frankreich positive Auswirkungen auf den Preis haben könnten. Die Behörde nennt als Beispiel hierfür ausdrücklich den Verkauf in Supermärkten. Von einer Öffnung in diese Richtung verspricht man sich eine mögliche Preissenkung von 25-30 %.
Weitgehende Änderungen zu erwarten
Im Rahmen ihrer umfassenden Prüfung wollen die Wettbewerbshüter auch weitere Änderungen prüfen, um beispielsweise die im EU-Vergleich geringe Generikaquote zu erhöhen und die Geschäftsbeziehungen zwischen Vertrieben und Großhändlern neu zu gestalten.
Auch wenn es noch dauern wird, bis die Behörde nach umfangreichen Expertenanhörungen ihre Empfehlungen Ende des Jahres vorstellen wird, ist bereits jetzt klar: der französische Arzneimittelmarkt steuert auf einen tiefgreifender Umbruch, der auch neue Chancen für Marktteilnehmer aus anderen EU-Staaten mit sich bringen wird.
12.03.2013