Unternehmens(ver)kauf aus der Insolvenz in Frankreich – prepack cession
Das französische Recht bietet verschiedene Wege, ein Unternehmen in Schwierigkeiten zu übernehmen. Bei einer Übernahme im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens stellt der sogenannte prepack cession in Frankreich häufig für alle Beteiligten eine attraktive Option dar.
Der prepack cession bezeichnet eine Übernahme in zwei Phasen:
- Vorbereitung: Bereits im Rahmen einer procédure de prévention (Präventionsverfahren, entweder in Form einer procédure de conciliation oder eines mandat ad hoc) wird eine vollständige oder teilweise Übernahme von Vermögenswerten vorbereitet.
- Umsetzung: In einem verkürzten Kollektivverfahren (procédure collective - häufig ein Liquidationsverfahren mit Fortführung der Geschäftstätigkeit oder ein Sanierungsverfahren) wird diese Übernahme sodann umgesetzt. Das Handelsgericht (tribunal de commerce) kann in diesem Verfahren dann einen bereits verhandelten Veräußerungsplan (plan de cession) beschließen.
Dieses Verfahren ist besonders geeignet für Unternehmen, die sich von einer französischen Tochtergesellschaft trennen wollen, die notleidend ist und kurz- oder mittelfristig ein Insolvenzverfahren anmelden oder eine kostenintensive Betriebsschließung umsetzen muss. Vor einer Insolvenz oder einer Restrukturierung wird das Unternehmen Käufer für das Unternehmen suchen, wozu es im Falle einer Restrukturierung sogar in Frankreich gesetzlich verpflichtet ist. Bei notleidenden Unternehmen scheuen indes viele Käufer die Risiken (sozial und finanziell). Hier kann der prepack cession eine sinnvolle Alternative darstellen, da er Vorzüge einer gütlichen Schließung (Verhandlung, kein Reputationsverlust, kein Kontrollverlust) mit den Vorteilen des Insolvenzrechts (insbesondere aus Sicht des Käufers) verquickt. Sie muss aber mit einem ausreichenden Vorlauf vorbereitet werden und es sollten auch Kaufinteressenten vorhanden sein.
Zum einen hat der Übernehmer volle Wahlfreiheit: Er kann das gesamte Unternehmen (in aller Regel im Rahmen eines Asset Deals), aber auch nur einen bestimmten Geschäftszweig übernehmen, sich also nur die attraktiven Teile des Unternehmens herauspicken und kann sich auch auf die Übernahme nur einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern entscheiden. Gleichzeitig muss er auch nur für diesen Teil des Unternehmens die Due Diligence-Prüfung vornehmen. Der Kaufpreis ist häufig niedriger als bei einer klassischen Übernahme und der Übernehmer kann frei wählen, welche Arbeitnehmer und Vermögenswerte er übernehmen will. Auch in welche Verträge er eintreten will, steht ihm frei, zumal der Eintritt in diese Verträge von keiner Zustimmung des Vertragspartners abhängig ist, sondern gerichtlich erzwungen wird.
Zum anderen bleiben dem Übernehmer zahlreiche Lasten erspart: Er muss keine Schulden und Sicherheiten übernehmen, er muss keine Kosten für die Entlassung der nicht übernommenen Arbeitnehmer tragen und er ist in Frankreich – wie auch bei anderen gerichtlichen Übernahmen von Unternehmen in Schwierigkeiten – befreit von den Informationspflichten des Hamon-Gesetzes gegenüber den Arbeitnehmern im Rahmen der Übernahme.
Die Umsetzung der Übernahme des Unternehmens in Schwierigkeiten erfolgt, wie dargestellt, über einen Veräußerungsplan (plan de cession), der vom Gericht beschlossen wird. Die bei einer gewöhnlichen Insolvenz bestehenden Nachteile können mit dem prepack cession aber umgangen werden:
- Öffentlichkeit des Verfahrens: Diese birgt das Risiko, Mitbewerber anzuziehen. Vor allem aber ist mit der Öffentlichkeit das Risiko eines Imageschadens und des Vertrauensverlusts der Vertragspartner verbunden und letztlich ein Wertverlust des zu übernehmenden Unternehmens. Der prepack cession bietet hingegen die Möglichkeit, die Übernahme vertraulich vorzubereiten.
- Informationsmangel: Dies stellt insbesondere dann ein Problem dar, wenn die Führung des zu übernehmenden Unternehmens das Unternehmen selbst fortführen will und nicht mit dem Übernehmer kooperiert. Bei einem prepack cession entscheidet sich die Unternehmensleitung aber aus eigenem Antrieb für diesen Weg.
- Zeitdruck: Aufgrund kurzer Fristen zur Angebotsabgabe besteht im gewöhnlichen Insolvenzverfahren oft Zeitdruck, der durch die vorgeschaltete Vorbereitungsphase beim prepack cession umgangen wird. Gleichzeitig wird das Kollektivverfahren selbst erheblich beschleunigt, da eine Übernahmeausschreibung wegfällt.
- Ablauf der Vorbereitungsphase:
Die Führung des Unternehmens in Schwierigkeiten, die häufig bereits einen sog. Verfahrensbeauftragten (mandataire ad hoc bzw. conciliateur – in aller Regel handelt es sich hier um Insolvenzverwalter) mandatiert hatte, um etwaige Verhandlungen mit problematischen Gläubigern oder Vertragspartner zu führen, beantragt bei Gericht, den Auftrag des Verfahrensbeauftragten auf die Organisation eines prepack cession auszuweiten. Der Verfahrensbeauftragte stimmt der Erweiterung seines Auftrags zu. Sodann muss das Handelsgericht die Auftragserweiterung beschließen. Danach kann der Verfahrensbeauftragte mit der – vertraulichen – Suche nach möglichen Übernahmekandidaten beginnen. Sobald ein oder mehrere geeignete Kandidaten gefunden sind, wird in Übernahmeverhandlungen eingetreten und die Kandidaten bereiten ein Übernahmeangebot vor, das sie dem Verfahrensbeauftragten vorlegen.
- Ablauf der Umsetzungsphase:
Die Unternehmensleitung beantragt sodann beim Handelsgericht die Eröffnung des Kollektivverfahrens sowie gleichzeitig die Umsetzung des prepack cession – das Insolvenzverfahren wird letztlich nur zu dem Zweck eröffnet, den prepack cession umzusetzen. Sofern das Kollektivverfahren in Gestalt eines Sanierungs- oder Insolvenzverfahrens erfolgen soll, ist eine Zahlungsunfähigkeit erforderlich. Es folgt eine Anhörung des Verfahrensbeauftragten und eine Stellungnahme des procureur de la République (Staatsanwalt), dessen Rolle es insbesondere ist, Interessenkonflikte und Unstimmigkeiten im Verfahren zu verhindern. Das Gericht prüft im Verfahren weiterhin, ob der Verfahrensbeauftragte eine ausreichend umfangreiche Suche nach Übernahmekandidaten durchgeführt hat. Die Anforderungen hieran bestimmen sich je nach Einzelfall (etwa in Abhängigkeit von Zeitdruck und der Wahrscheinlichkeit, einen Übernehmer zu finden).
Sofern die Übernahmeangebote die gesetzlichen Bedingungen erfüllen und der Bericht des Verfahrensbeauftragten zum Ergebnis kommt, dass diese zufriedenstellend sind, kann das Gericht nach freiem Ermessen beschließen, den prepack cession umzusetzen, also keine öffentliche Ausschreibung durchzuführen und keine Frist für die Einreichung von Angeboten festzulegen. Es bestimmt dann mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses des Kollektivverfahrens lediglich einen Termin zur Prüfung der Übernahmeangebote (in der Regel drei bis fünf Wochen nach dem Eröffnungsbeschluss).
Bis acht Tage vor diesem Termin können andere Übernahmekandidaten ihre Angebote einreichen. Auch der oder die Kandidaten aus Phase 1 können ihr Übernahmeangebot nochmals überarbeiten. Kurz vor dem Prüfungstermin gibt sowohl der Verfahrensbeauftragte als auch die Personalvertretung des Unternehmens eine Stellungnahme ab. Nach dem Prüfungstermin setzt das Handelsgericht dann den endgültigen Veräußerungsplan fest. Das leitende Kriterium bei dieser Festsetzung ist die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Beachten Sie: Der Umstand, dass das Gericht die Umsetzung des prepack cession zunächst beschlossen hat, bedeutet nicht automatisch, dass es das darin enthaltene Übernahmeangebot auch bei der Festsetzung des Veräußerungsplan berücksichtigen muss. Es kann sich letztendlich sogar dazu entscheiden, alle vorliegenden Angebote zu verwerfen.
Der prepack cession sollte nicht verwechselt werden mit dem prepack plan. Letzterer kommt nur zum Tragen im Falle des Scheiterns einer procédure de conciliation (Schlichtungsverfahren mit den Gläubigern) und führt zu einem plan de sauvegarde (Sicherungsplan), der die Umschuldung und die Rückzahlung der Schulden über einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren regelt. Demgegenüber setzt ein prepack cession kein gescheitertes Schlichtungsverfahren voraus und führt statt zu einem plan de sauvegarde zu dem genannten Veräußerungsplan, also der Übernahme eines oder aller Geschäftsbereiche.
08.04.2022