Entlastung in Deutschland vs. Quitus in Frankreich – Wo liegen die Unterschiede?
Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich wird die Geschäftsführung der Geschäftsführer einer GmbH bzw. des Vorstandes einer Aktiengesellschaft im Rahmen des Jahresabschlusses bewertet. Die „Billigung“, die die Gesellschafter- bzw. die Hauptversammlung vornimmt, hat jedoch in Deutschland und in Frankreich unterschiedliche rechtliche Konsequenzen.
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Die Entlastung des Geschäftsführers im deutschen GmbH-Recht
In Deutschland versteht man unter der Entlastung eines Geschäftsführers einer GmbH, dass die Geschäftsführung des Geschäftsführers gebilligt wird. Gem. § 46 Nr. 5 GmbHG gehört die Entlastung der Geschäftsführer zu den grundlegenden Kompetenzen der Gesellschafterversammlung, bei der die Gesellschafter einer GmbH in Form eines Gesellschafterbeschlusses entscheiden.
In der Regel wird ein solcher Entlastungsbeschluss nach Rechnungslegung durch Vorlage des Jahresabschlusses gefasst. Der Gesellschaft steht es jedoch auch frei, unterjährig bezogen auf einzelne Entscheidungen des Geschäftsführers Entlastungsbeschlüsse zu treffen.
Die Billigung der Geschäftsführung weist dabei im GmbH-Recht sowohl ein vergangenheitsbezogenes als auch ein zukunftsbezogenes Element auf und hat Präklusionswirkung.
Das vergangenheitsbezogene Element zeigt sich darin, dass die Gesellschaft bezogen auf bereits abgeschlossene Vorgänge keine Schadensersatzansprüche gegen den Gesellschafter mehr durchsetzen kann, sobald sie einen Entlastungsbeschluss gefasst hat (Präklusionswirkung).
Ein zukunftsbezogenes Element weist die Entlastung dahingehend auf, dass – sofern die Geschäftsführertätigkeit nicht vor der Entlastung geendet hat und weiter fortgesetzt wird – dem Geschäftsführer dadurch Vertrauen betreffend zukünftigen, bereits initiierten oder geplanten Geschäftsführermaßnahmen ausgesprochen wird.
Wie weit die Präklusionswirkung reicht, hängt regelmäßig davon ab, wie weit die ausgesprochene Entlastung in personeller und sachlicher Hinsicht gefasst ist.
Grundsätzlich ist von einer Entlastung aller Geschäftsführer auszugehen, sofern der Entlastungsbeschluss nicht ausdrücklich eine Einzelentlastung vorsieht.
In sachlicher Hinsicht bezieht sich der Entlastungsbeschluss nur auf Ansprüche aus solchen Tatsachen, die alle Gesellschafter kennen oder hätten kennen müssen. Die Kenntnis muss dabei bei allen Gesellschaftern und nicht nur bei dem Mehrheitsgesellschafter vorliegen.
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Die Entlastung des Vorstands im deutschen Aktienrecht
Auch im Rahmen von Aktiengesellschaften finden Entlassungsbeschlüsse statt. Gem. § 120 AktG hat die Hauptversammlung innerhalb der ersten 8 Monate des Geschäftsjahres über die Entlastung Beschluss zu fassen.
Die Rechtsfolge eines Entlastungsbeschlusses des Vorstands unterscheidet sich jedoch deutlich von der eines GmbH-Geschäftsführer-Entlastungsbeschlusses. Während dem Entlastungsbeschluss eines GmbH-Geschäftsführers Präklusionswirkung zukommt, hat die Entlastung des Vorstands keine unmittelbaren Folgen. Gem. § 120 Abs. 2 S. 2 AktG „billigt die Hauptversammlung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats durch die Entlastung. Die Entlastung enthält keinen Verzicht auf Ersatzansprüche.“
Dies bedeutet, dass Aktiengesellschaften trotz Entlastungsbeschluss später Klage auf Schadensersatz gegen den Vorstand erheben können.
Hintergrund dafür, dass dem Entlastungsbeschluss im Aktienrecht keine Präklusionswirkung zukommt, ist, dass der Hauptversammlung im maßgeblichen Zeitpunkt nur beschränkte Erkenntnismöglichkeiten vorliegen.
Die Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft ist im Aktienrecht nur dann ausgeschlossen, wenn die haftungsbegründende Handlung des Vorstandsmitglieds auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht, § 93 Abs. 4 S. 1 AktG.
In allen anderen Fällen ist in dem Entlastungsbeschluss lediglich eine nicht rechtsverbindliche Billigung und eine Vertrauensbekundung der Geschäftsführung des Vorstands zu sehen.
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„Quitus“ im französischen Recht
Im Gegensatz zum deutschen GmbH-Recht kommt dem „Quitus“ (dem französischen Pendant zur Entlastung) eines Geschäftsführers nach französischem Recht unabhängig von der Gesellschaftsform keine rechtsverbindliche Wirkung zu.
Durch einen Quitus-Beschluss, der Teil des Genehmigungsbeschlusses des Jahresabschlusses ist, wird in keinem Fall eine spätere Haftungsklage ausgeschlossen.
Dem Quitus-Beschluss kommt meist nur dann Bedeutung zu, wenn ein Abberufungsverfahren eines Geschäftsführers anhängig ist. Soll der Geschäftsführer wegen eines berechtigten Grundes („juste motif“) abberufen werden, prüfen die Gerichte zunächst, ob dem Gesellschafter zuvor auf der Jahreshauptversammlung Quitus erteilt wurde.
Sofern dies der Fall ist, stellen die Gerichte zumeist fest, dass kein berechtigter Grund vorliegt, und sprechen dem abberufenen Geschäftsführer in der Folge regelmäßig einen Schadensersatzanspruch zu.
Es ist jedoch zu betonen, dass eine Abberufung auch dann gerechtfertigt sein kann, wenn zwar Quitus erteilt wurde, aber dennoch ein wichtiger Grund vorliegt.
Es ist also Vorsicht geboten – ein in Frankreich berufener Geschäftsführer sollte sich nach einem Quitus-Beschluss nicht in falscher Sicherheit wähnen.
Sollten Sie diese Informationen in französischer Sprache benötigen, so finden Sie diese in unserer Publikationen Quitus vs. Entlastung en Allemagne : que faut-il retenir ?
14.07.2023