Gewährleistungsanspruch in Frankreich: Fristen zur Geltendmachung bei verstecktem Mangel
Am 16. Oktober 2024 entschied der französische Kassationsgerichtshof, dass der Endkäufer Gewährleistungsansprüche gegen den Erstverkäufer trotz Kenntnis des Sachmangels zum Zeitpunkt des Kaufs ausüben konnte.
Im Kern ging es in diesem Fall um ein Auto, das ein erster Käufer 2015 gekauft und später im Rahmen eines Leasingvertrags mit Kaufoption weiterverleast hat. Der Leasingnehmer stellte mehrere Mängel fest, die zum Ausfall des Fahrzeugs führten. In diesem Zusammenhang wurde ein selbstständiges Beweisverfahren (sog. „expertise judiciaire“) eingeleitet, im Rahmen dessen sich herausstellte, dass das Fahrzeug aufgrund eines Konstruktionsfehlers eines der Teile ausgefallen war. Trotz Kenntnis dieses Mangels entschied sich der Leasingnehmer für den Kauf des Fahrzeugs und übte die entsprechende Kaufoption aus. Kurz darauf erhob er Klage gegen den ursprünglichen Verkäufer und den Hersteller des Fahrzeugs, um seine gesetzlichen Sachmängelansprüche geltend zu machen.
Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Die Richter waren der Ansicht, dass es auf die Kenntnis des Endkäufers von dem Mangel zum Zeitpunkt der Kaufoption ankomme. Der Endverbraucher legte jedoch Revision ein und begründete diese damit, dass die Sachmängelansprüche seines Verkäufers mit dem Kauf auf ihn übergegangen seien.
Der Kassationsgerichtshof stellte klar, dass es für die Beurteilung der Begründetheit des Anspruchs auf die Kenntnis des ursprünglichen Käufers von dem Mangel zum Zeitpunkt des Kaufs ankommt.
Zusammenfassend besagt das Urteil, dass die Kenntnis des Endverbrauchers von einem Mangel zum Zeitpunkt seines eigenen Kaufs für die Beurteilung der Begründetheit seiner Klage gegen den ursprünglichen Verkäufer unerheblich ist. Entscheidend ist allein die Kenntnis des ursprünglichen Käufers.
Daraus folgt, dass der Letzterwerber auch bei Kenntnis des Mangels Sachmängelansprüche gegen den ursprünglichen Verkäufer erheben kann, da es sich um ein abgetretenes Recht des ursprünglichen Käufers handelt.
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Überblick der Fristen zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen aufgrund eines versteckten Mangels
- Für die gerichtliche Geltendmachung eines verborgenen Mangels besteht eine Ausschlussfrist von zwei Jahren ab Entdeckung des Mangels.
- Diese Frist kann ausgesetzt werden, wenn ein Beweisverfahren angeordnet wurde (vgl. Art. 2241 1. Alt. des französischen Zivilgesetzbuchs). Die Frist beginnt mit der Übergabe des Sachverständigenberichts erneut zu laufen (Art. 2239 des französischen Zivilgesetzbuchs; Urteil des französischen Kassationsgerichtshofs, 21. Juli 2023, Az. 21-15.809).
- Die Klage auf Gewährleistung für versteckte Mängel muss innerhalb von 20 Jahren nach dem beanstandeten Verkauf eingeleitet werden (Art. 2232 des französischen Zivilgesetzbuchs ; Urteil des französischen Kassationsgerichtshofs, 21. Juli 2023, Az. 21-19.936 und Az. 20-10.763). Diese Frist ist eine Ausschlussfrist, daraus folgt, dass es nicht mehr möglich ist, nach Ablauf dieser Frist zu klagen.
- Die Frist von 20 Jahren gilt
- unabhängig von der Klage: Sie gilt, sei es im Falle eines Rückgriffs auf den Erstverkäufer oder einer Regressklage gegen einen der Verkäufer in der Vertragskette;
- unabhängig von der Art des mit einem versteckten Mangel behafteten Gegenstands (beweglich oder unbeweglich).
- unabhängig von der Klage: Sie gilt, sei es im Falle eines Rückgriffs auf den Erstverkäufer oder einer Regressklage gegen einen der Verkäufer in der Vertragskette;
04.12.2024