Haftung bei Liquidation nach Insolvenz in Frankreich
Der französische Kassationshof hat sich in einer neueren Entscheidung zum Zeitpunkt des die Haftung des Geschäftsführers auslösenden Geschäftsführungsfehlers geäußert.
Wenn über eine Gesellschaft in Frankreich ein gerichtliches Liquidationsverfahren eröffnet wird (procédure de liquidation judiciaire), kann der Geschäftsführer für Liquidationsfehlbeträge (die Aktiva reichen nicht aus, um die Passiva zu bedienen) haftbar gemacht werden, sofern ihm ein Geschäftsführungsfehler vorzuwerfen ist. Ein solcher Geschäftsführungsfehler kann etwa vorliegen, wenn eine offensichtlich defizitäre Geschäftstätigkeit fortgeführt wird. Im Rahmen dieser Maßnahme, die als "responsabilité pour insuffisance d’actifs“ bezeichnet wird, kann der Geschäftsführer zur Zahlung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit seinem persönlichen Vermögen ganz oder teilweise verurteilt werden.
Weiterführende Informationen zur Haftung des Geschäftsführers.
Zu beachten ist, dass eine einfache Fahrlässigkeit in der Geschäftsführung nicht ausreicht, um die Haftung auszulösen. Eine weitere Voraussetzung der Haftung ist, dass der Geschäftsführungsfehler vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegen haben muss.
In diesem Zusammenhang haben die Richter des obersten französischen Gerichts kürzlich klargestellt, dass Fehlverhalten, das der Geschäftsführer zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Eröffnung des Liquidationsverfahrens (im Zuge der Beobachtungsphase hatte der Insolvenzverwalter festgestellt, dass das Unternehmen nicht zu sanieren war und die Umwandlung in ein Liquidationsverfahren beantragt) begangen haben könnte, nicht berücksichtigt werden kann. In diesem Fall handele es sich nämlich nicht um ein neues Insolvenzverfahren, sondern um eine Umwandlung des Verfahrens.
In dem genannten Fall durfte der Liquidator daher nicht gegen den Geschäftsführer mit der Begründung vorgehen, dass dem Geschäftsführer die defizitäre Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgesetzt haben soll.
Etwas anderes gilt, wenn das Liquidationsverfahren eröffnet wird, nachdem der Sanierungsplan gescheitert ist (sog. résolution du plan de redressement). In diesem Fall handelt es sich um ein neues Insolvenzverfahren. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers kann dann für das Fehlverhalten, das er zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Eröffnung des Liquidationsverfahrens begangen hat, haftbar gemacht werden.