Neues zur Haftung der Geschäftsführung in französischem Insolvenzverfahren
In einem aktuellen Urteil der französischen Handelskammer vom 2. Oktober 2024 wurde die Bedeutung der „einfachen Fahrlässigkeit“ bei der Haftung für Geschäftsführungsfehler (responsabilité pour insuffisance d'actifs) erneut thematisiert.
Diese Ausnahme, die durch das Gesetz vom 9. Dezember 2016 eingeführt wurde, besagt, dass die Geschäftsführung nicht automatisch für eine unzureichende Vermögensdeckung haften, wenn lediglich einfache Fahrlässigkeit vorliegt. Dieses Urteil hat weitreichende Folgen für Unternehmen und ihre Führungskräfte.
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Der Fall: Verurteilung und Aufhebung
Im vorliegenden Fall wurde der Geschäftsführer eines insolventen Unternehmens ursprünglich von der Berufungsinstanz verurteilt, die Liquidationsfehlbeträge zu übernehmen, da er unvollständige und unregelmäßige Buchhaltungsunterlagen bereitgestellt hatte. Diese Unterlagen waren unzureichend, um die finanzielle Lage des Unternehmens transparent darzustellen. Die Berufungsrichter sahen hierin eine schwerwiegende Pflichtverletzung, da der Geschäftsführer nicht rechtzeitig Maßnahmen gegen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens ergriffen hatte, was letztlich zur Insolvenz führte.
Das höchste französische Gericht, die Cour de cassation, hob dieses Urteil jedoch auf. Sie argumentierte, dass die bloße Vorlage einer unvollständigen und unregelmäßigen Buchführung nicht ausreiche, um eine schwerwiegende Pflichtverletzung zu begründen, die über einfache Fahrlässigkeit hinausgehe. Es gab keine ausreichenden Beweise dafür, dass der Geschäftsführer absichtlich oder grob fahrlässig gehandelt hatte.
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Bedeutung für Führungskräfte und Insolvenzverfahren
Das Urteil verdeutlicht, dass die Ausnahme der „einfachen Fahrlässigkeit“ im Rahmen der responsabilité pour insuffisance d'actifs weiterhin eine zentrale Rolle spielt. Die Einführung dieser Ausnahme im Jahr 2016 zielt darauf ab, Führungskräfte vor übermäßigen Haftungsrisiken zu schützen, wenn sie zwar Fehler gemacht haben, diese jedoch nicht schwerwiegend genug sind, um eine Haftung für den Fehlbetrag auszulösen.
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Anwendung der „einfachen Fahrlässigkeit“ in der Praxis
Die Entscheidung hebt zudem hervor, dass das Gesetz von 2016 auf laufende Verfahren unmittelbar anwendbar ist. Das bedeutet, dass auch in bereits laufenden Insolvenzverfahren die Haftung des Geschäftsführers auf der Grundlage überprüft werden muss, ob sein Verhalten über einfache Fahrlässigkeit hinausging. Dies schafft mehr Flexibilität im Insolvenzrecht und entlastet Führungskräfte, die zwar Fehler gemacht haben, aber nicht absichtlich oder grob fahrlässig handelten.
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Fehlende Definition der „einfachen Fahrlässigkeit“
Ein zentrales Problem, das dieses Urteil nicht behebt, ist das Fehlen einer klaren Definition der „einfachen Fahrlässigkeit“. Es liegt weiterhin in der Hand der Gerichte, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob das Verhalten eines Geschäftsführers als einfache Fahrlässigkeit oder als schwerwiegende Pflichtverletzung einzustufen ist. Diese Unsicherheit betrifft sowohl Insolvenzverwalter als auch Führungskräfte, da sie im Vorfeld nicht abschätzen können, welche Handlungen als entschuldbar gelten und welche nicht.
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Fazit
Das Urteil der Cour de cassation unterstreicht die Bedeutung der Ausnahme der „einfachen Fahrlässigkeit“ im Insolvenzrecht und verdeutlicht, dass Geschäftsführer nicht für jede Pflichtverletzung haften müssen. Allerdings bleibt das Fehlen einer klaren Definition dieser Ausnahme problematisch, da es zu Unsicherheiten und inkonsistenten Urteilen führt. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber oder die Gerichte zukünftig versuchen werden, mehr Klarheit in diese Frage zu bringen, um die Rechtssicherheit zu erhöhen.
22.10.2024