Nichtigkeit eines französischen Aufhebungsvertrags bei arglistiger Täuschung durch den Arbeitnehmer
Der französische Aufhebungsvertrag (sogenannte „rupture conventionnelle“) ist eine der meistgenutzten Möglichkeiten zur Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrages in Frankreich.
Wie bei jedem Vertrag müssen die Willenserklärungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers jeweils frei von Willensmängeln sein.
Falls ein Willensmangel vorliegt, kann die benachteiligte Partei die Nichtigkeit der Vereinbarung geltend machen (Art. 1130 und 1131 Code civil). In diesem Zusammenhang hat der französische Kassationsgerichtshof kürzlich eine Aufhebungsvereinbarung aufgrund arglistiger Täuschung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer für nichtig erklärt. (Soc. 19 juin 2024, n° 23-10.817).
Der Fall
In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer nach achtjähriger Betriebszugehörigkeit um einen Aufhebungsvertrag gebeten, um „sich beruflich neu zu orientieren“. Kurz nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gründete er jedoch gemeinsam mit zwei weiteren ehemaligen Mitarbeitern ein Konkurrenzunternehmen. Die Beweisaufnahme ergab, dass dieses unternehmerische Vorhaben bereits vor der Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung bestand.
Der Arbeitgeber leitete daraufhin eine Klage auf Aufhebung der Vereinbarung ein, da er der Ansicht war, durch den Arbeitnehmer arglistig getäuscht worden zu sein. Im rechtlichen Sinne bezeichnet die Täuschung ein Verhalten, das darauf abzielt, bei der anderen Vertragspartei durch unlautere Machenschaften oder falsche Angaben eine falsche Vorstellung über Tatsachen hervorzurufen und diese dadurch zu einem Vertragsabschluss zu bewegen.
Obwohl hier kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bestand, betrachtete der Oberste Gerichtshof die falsche Aussage des Arbeitnehmers zu seinen Zukunftsplänen als solche, weil die vorenthaltene Information für den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung von entscheidender Bedeutung gewesen war, und erklärte die Aufhebungsvereinbarung für nichtig.
Die Nichtigkeit der Aufhebungsvereinbarung hat die Wirkung einer Kündigung seitens des Arbeitnehmers. Für den Arbeitnehmer hat dies gravierende Konsequenzen: Er muss nicht nur die erhaltene Abfindung zurückzahlen, sondern auch eine Ausgleichszahlung für die nicht eingehaltene Kündigungsfrist an den Arbeitgeber entrichten. Zudem verliert er seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Praxishinweis: Auch ohne nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann ein gewisser Schutz gegen Konkurrenzaktionen eines ehemaligen Mitarbeiters bestehen. Es muss bewiesen werden, dass entscheidende Informationen verheimlicht wurden, dies kann in Zeiten sozialer Netzwerke, durch die Veröffentlichungspflicht in Handelsregistern sowie durch die Informationen über ehemalige Mitarbeiter auf beruflichen Netzwerken allerdings erheblich leichter fallen.
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Dieser Artikel wurde von Emilie Wider in Zusammenarbeit mit unserer Juristin Mélanie Lidolff verfasst.
07.10.2024