Personalvertretung in Frankreich
Übersicht
- Welche Personalvertretungsorgane gibt es in Frankreich?
- Ab wann müssen CSE-Wahlen organisiert werden?
- Gilt die Pflicht zur Errichtung eines CSE auch für deutsche Unternehmen?
- Wie läuft die CSE-Wahl ab?
- Wie kann man effizient mit einer Personalvertretung umgehen?
- Kann einem Personalvertreter gekündigt werden?
- Was sind die Vorteile von Betriebsvereinbarungen?
- Was sind die Verhandlungspflichten?
- Zusammenfassung: Was ändert sich im Hinblick auf die Personalvertretung, wenn das Unternehmen wächst?
1 Welche Personalvertretungsorgane gibt es in Frankreich?
In Frankreich bestehen einerseits durch die Belegschaft gewählte und andererseits gewerkschaftlich ernannte Arbeitnehmervertreter.
Das gewählte Personalvertretungsorgan ist der sog. Sozial- und Wirtschaftsrat –„comité social et économique (eine Art Betriebsrat, kurz CSE). Er ersetzt seit dem 01. Januar 2021 endgültig die damaligen Personalvertretungsorgane:
- Die Arbeitnehmervertreter –„délégués du personnel“ (kurz DP),
- den Betriebsausschuss – „comité d’entreprise“ (kurz CE),
- und den Ausschuss für Hygiene, Sicherheit und Arbeitsbedingungen – „comité d’hygiène, de sécurité et des conditions de travail“ (kurz CHSCT).
Die Anzahl der zu wählenden Personalvertreter im CSE ist abhängig von der Größe des Betriebes.
Auch die Rechte des CSE unterscheiden sich, je nachdem ob das Unternehmen mindestens 50 oder weniger Mitarbeitende beschäftigt. Ab 50 Mitarbeitenden hat der CSE „erweiterte“ Unterrichtungs- und Anhörungsrechte, die sich insbesondere – aber nicht nur – auf wirtschaftliche Aspekte beziehen.
Anders als der deutsche Betriebsrat verfügt der CSE jedoch weder über Entscheidungsbefugnisse im Sinne von Mitbestimmungsrechten noch über Initiativrechte1. Er hat in der Regel – neben einfachen Unterrichtungsrechten – ausschließlich Anhörungsrechte, das heißt dass er in bestimmten Situationen unterrichtet und angehört werden muss und anschließend eine Stellungnahme abgibt, welche jedoch für den Arbeitgeber nicht bindend ist.
Neben dem CSE können verschiedene gewerkschaftliche Arbeitnehmervertreter bestehen. Ab einem Schwellenwert von 50 Mitarbeitenden dürfen insbesondere Gewerkschaftsvertreter („délégué syndical“, kurz DS) von einer oder mehreren Gewerkschaften ernannt werden. Ihre Hauptrolle besteht darin, Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen und ggf. Betriebsvereinbarungen („accords collectifs d’entreprise“) abzuschließen.
2 Ab wann müssen CSE-Wahlen organisiert werden?
In Frankreich obliegt es dem Arbeitgeber, die CSE-Wahlen, d. h. die Wahl der Personalvertreter zu organisieren.
Grundsätzlich müssen die Wahlen alle 4 Jahre durchgeführt werden (es sei denn, eine abweichende Amtsdauer wurde auf Branchen- oder Unternehmensebene vereinbart).
Die Gesellschaft, die noch über keine Personalvertreter verfügt, muss CSE-Wahlen organisieren, sobald sie während 12 aufeinanderfolgenden Monaten mindestens 11 Arbeitnehmende beschäftigt.
Für die Berechnung der Anzahl der Mitarbeitenden werden alle Mitarbeitenden, die einen Arbeitsvertrag (Voll- oder Teilzeit, unbefristet und befristet2) haben, sowie Leiharbeitnehmende3, aber auch – unter besonderen Bedingungen – überlassene Arbeitnehmende berücksichtigt. Es gelten besondere Regelung für die genaue (volle oder anteilige) Berechnung.
Sollte der Arbeitgeber die Organisation von CSE-Wahlen unterlassen oder die Fristen bzw. Vorschriften zur Durchführung der Wahlen missachten, kann es zur Ungültigkeit der Wahl sowie entsprechenden Sanktionen und sogar Schadensersatzforderungen kommen. Auch bei anderen Maßnahmen, in welchen der CSE hätte involviert werden müssen, kann dies neben Strafsanktionen und Schadensersatzforderungen bis zur Unmöglichkeit der Umsetzung der in Betracht gezogenen Maßnahme führen.
3 Gilt die Pflicht zur Errichtung eines CSE auch für deutsche Unternehmen?
Ja, sobald die Anzahl der in Frankreich beschäftigten Arbeitnehmenden den Schwellenwert von 11 Mitarbeitenden während 12 aufeinanderfolgenden Monaten erreicht wird, muss auch der deutsche Arbeitgeber die Wahl einleiten.
4 Wie läuft die CSE-Wahl ab?
Die Gewerkschaften sind in der Organisation der Wahlen miteinzubeziehen. Der Arbeitgeber hat sie insbesondere dazu einzuladen, das Vorwahlprotokoll auszuhandeln und Kandidaten aufzustellen.
Das Vorwahlprotokoll („protocole d’accord préélectoral“) legt unter anderem die Organisations- und Durchführungsmodalitäten der Wahl fest.
Es gibt einen oder zwei Wahlgänge. Im ersten Wahlgang dürfen ausschließlich Gewerkschaften Kandidaten aufstellen. Sollte ein zweiter Wahlgang erforderlich sein – wenn die Gewerkschaften für den ersten Wahlgang keine Kandidatenlisten eingereicht haben, wenn nicht alle Sitze vergeben werden konnten oder wenn die Wahlbeteiligung unter 50 % lag – dürfen sich dabei freie Kandidaten zur Wahl aufstellen lassen.
Inklusive der Vorbereitung dauert das gesamte Wahlverfahren in der Regel ca. 3,5 Monate.
Bei fehlenden Kandidaten oder einer zu niedrigen Wahlbeteiligung spricht man von einer „Karenz“. Das Ergebnis der Wahl wird dann in einem Karenzprotokoll („procès-verbal de carence“) festgehalten.
5 Wie kann man effizient mit einer Personalvertretung umgehen?
Um effizient mit dem CSE und den Gewerkschaftsvertretern umzugehen, sind generelle Prinzipien zu beachten, u. a.:
- Eine gute Kommunikation: Dazu zählen zeitnahes Beantworten möglicher Fragen der Arbeitnehmervertreter sowie die Mitteilung von ausführlichen Informationen in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen.
- Für den CSE: Regelmäßige Sitzungen (in der Regel 1 pro Monat, bei Bedarf mehr als vorgeschrieben) und Einigung über die Tagesordnung.
- Für die Gewerkschaftsvertreter: Erstellung eines vorläufigen Zeitplans und einer klaren Tagesordnung der Verhandlungstermine durch den Arbeitgeber.
6 Kann einem Personalvertreter gekündigt werden?
Dem Personalvertreter, ob Mitglied des CSE oder Gewerkschaftsvertreter (wobei auch andere Mitarbeitende besonderen Kündigungsschutz genießen, wie z. B. Laienrichter am Arbeitsgericht), kann zwar gekündigt werden, er genießt jedoch einen besonderen Kündigungsschutz. So bedarf es für seine Kündigung zusätzlich zu den allgemein geltenden Kündigungsregelungen
- einer vorherigen Anhörung des CSE;
- der Genehmigung der Arbeitsinspektion.
Das Kündigungsverfahren wird in einem solchen Fall daher um ca. 2,5 Monate verlängert – sofern die Arbeitsinspektion die Genehmigung erteilt (ansonsten besteht die Möglichkeit, gegen die Entscheidung der Arbeitsinspektion vorzugehen, was das Verfahren um weitere Monate verlängern kann).
Sollte das Verfahren nicht eingehalten werden, ist die Kündigung als nichtig zu betrachten.
Auch für die Änderung der Arbeitsbedingungen des Personalvertreters gelten besondere Pflichten für den Arbeitgeber.
7 Was sind die Vorteile von Betriebsvereinbarungen?
Eine Betriebsvereinbarung („accord collectif d‘entreprise“) wird mit den Gewerkschaftsvertretern – sonst mit anderen Personalvertretern – abgeschlossen. Sie behandelt spezifische Themen (z. B. die Arbeitszeit, Gleichbehandlung, CSE, Gewinnbeteiligung, Ergebnisse der unter Frage 8 aufgeführten Pflichtverhandlungen etc.).
Der Abschluss von Betriebsvereinbarungen bringt unter anderem folgende Vorteile:
- Es können von den durch Gesetz bzw. Branchentarifvertrag festgesetzten Regelungen abweichende, unter Umständen für das Unternehmen günstigere Regelungen getroffen werden.
- Die durch Betriebsvereinbarung festgelegten Regelungen liegen näher an den Bedürfnissen des Unternehmens.
- Verbessertes Arbeitsklima: Die Mitarbeitenden werden gehört und mehr berücksichtigt.
8 Was sind die Verhandlungspflichten?
Regelmäßige Pflichtverhandlungen müssen geführt werden, sobald im Unternehmen ein Gewerkschaftsvertreter ernannt wurde. Dies ist meistens erst dann der Fall, wenn das Unternehmen die Schwelle von 50 Mitarbeitenden erreicht.
Dann muss jedes Jahr mit dem/den Gewerkschaftsvertreter/n über folgende Themen verhandelt werden:
- Lohnpolitik (Gehälter), Arbeitszeit und Gewinnbeteiligung im Unternehmen
- Gleichstellung von Frauen und Männern, Lebensqualität und Qualität der Arbeitsbedingungen
Ab 300 Arbeitnehmenden (oder wenn das Unternehmen einem „europäischen Konzern“ angehört, d. h. einem Konzern mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden in den EWR-Staaten und einer Betriebsstätte oder einem Unternehmen mit jeweils mindestens 150 Mitarbeitenden in mindestens zwei EWR-Staaten, davon eine/s in Frankreich) muss alle 3 Jahre eine weitere Pflichtverhandlung über das Thema Beschäftigungsmanagement und berufliche Entwicklung („GEPP“) stattfinden.
Zu all diesen Themen kann eine Betriebsvereinbarung eine abweichende Regelmäßigkeit festlegen, diese darf jedoch 4 Jahre nicht überschreiten.
Eine Pflichtverhandlung bedeutet nicht zwingend, dass eine Betriebsvereinbarung zu dem Thema abgeschlossen wird. Sollte die Verhandlung scheitern, müssen die Parteien die jeweiligen Vorschläge der Parteien und die Maßnahmen, die der Arbeitgeber einseitig umsetzen möchte, in einem Protokoll festhalten. Beim Thema Gleichheit zwischen Frauen und Männern muss der Arbeitgeber allerdings einen Aktionsplan ausarbeiten, wenn keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden konnte.
Solange die Verhandlung nicht abgeschlossen wurde, darf der Arbeitgeber kollektive Maßnahmen in den jeweiligen Bereichen nur dann umsetzen, wenn sie dringend erforderlich sind.
Der Verstoß gegen diese Verhandlungspflichten kann insbesondere mit strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Folgen geahndet werden.
9 Zusammenfassung: Was ändert sich im Hinblick auf die Personalvertretung, wenn das Unternehmen wächst?
Wieviele Mitarbeitende sind beschäftigt? | Was ändert sich in Bezug auf die Personalvertretung? | Wann muß der Arbeitgeber handeln? |
≥ 11 Arbeitnehmer (während 12 aufeinanderfolgenden Monaten) |
Der Arbeitgeber muss die Wahl des Betriebsrats (CSE) einleiten und organisieren. Der Betriebsrat hat nur begrenzte Befugnisse, solange das Unternehmen keine 50 Arbeitnehmer beschäftigt. |
Grundsätzlich alle 4 Jahre |
Punktuelle Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des Betriebsrats, z. B. bei betriebsbedingten Kündigungen | Vor Umsetzung der Maßnahme bzw. des Projekts | |
≥ 50 Arbeitnehmer |
Der Betriebsrat verfügt über erweiterte Rechte:
|
Punktuelle und regelmäßige (jährliche) Pflichten, je nach Maßnahme/Bereich |
Der Betriebsrat hat ein eigenes Budget (Kosten für das Unternehmen in Höhe von ca. 1 % der Gesamtpersonalkosten). | ||
Eine Datenbank (BDESE) muss den Arbeitnehmervertretern zur Verfügung gestellt werden (mit sehr ausführlichen Informationen zu wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Bereichen). | Zu punktuellen Anlässen und ohnehin regelmäßig zu pflegen | |
Eine Gewerkschaft kann einen Gewerkschaftsvertreter im Unternehmen ernennen. | ||
Pflichtverhandlungen mit dem/n Gewerkschaftsvertreter/n (über die Lohnpolitik, die Arbeitszeit etc.) Beim Thema Gleichstellung von Frauen und Männern: Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder Erstellung eines Aktionsplans |
Jedes Jahr (oder abweichende Betriebsvereinbarung, dennoch max. alle 4 Jahre) |
|
Bei betriebsbedingter Kündigung von ≥ 10 Mitarbeitenden muss (zusätzlich zu der Unterrichtung und Anhörung des CSE) ein Sozialplan verhandelt werden.
Erst beim Scheitern der Verhandlung darf der Arbeitgeber den Sozialplan einseitig festlegen. Der Sozialplan sowie das Kündigungsverfahren muss dann von der Arbeitsaufsichtsbehörde genehmigt werden. |
Vor Umsetzung des Projekts | |
≥ 300 Arbeitnehmer | Weitere Unterrichtungspflichten gegenüber dem CSE (z. B. über die Entwicklung der Aufträge) | Alle 3 Monate |
Errichtung einzelner Ausschüsse im Betriebsrat (z. B. Ausschuss für die Gesundheit, die Sicherheit und die Arbeitsbedingungen - Commission santé, sécurité et conditions de travail, kurz CSSCT) |
||
Weiteres Pflichtverhandlungsthema zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaftsvertreter/n: Beschäftigungsmanagement und berufliche Entwicklung (GEPP) |
Alle 3 Jahre (oder abweichende Betriebsvereinbarung, dennoch max. alle 4 Jahre) |
1 Der Betriebsrat hat zwar in bestimmten Fällen das Recht, ein Alarmverfahren einzuleiten, dies kann allerdings Initiativrechten nicht gleichgestellt werden.
2 Außer denjenigen, die einen abwesenden Arbeitnehmer vertreten.
3 Außer denjenigen, die einen abwesenden Arbeitnehmer vertreten.
19.07.2024