Reform des sozialen Dialogs in Frankreich: Regierung und Sozialpartner zielen auf eine Ersatz-Personalvertretung in Unternehmen mit weniger als 11 Mitarbeitern ab
Hintergrund der geplanten Reform
Trotz der hohen Anzahl an Betriebsvereinbarungen, die in Frankreich im Jahre 2014 geschlossen worden sind (ca. 36.000), wird das deutsche Modell der Mitbestimmung der Personalvertretung stets als Vorbild genommen, um zu betonen, dass zu viele französische Unternehmen von dem Dialog zwischen Sozialpartnern (dialogue social) ausgeschlossen sind.
Dies ist insbesondere bei Unternehmen, die die 11-Mitarbeiter-Schwelle nicht erreichen und somit über keine betriebsinterne Personalvertretung verfügen, der Fall. Insgesamt soll es in Frankreich ca. 4,6 Millionen Mitarbeiter geben, die auf Betriebsebene nicht vertreten werden.
Unter diesen Umständen hat die frz. Regierung im Juli 2014 erstmals einen Entwurf zur Reform des sozialen Dialogs an die Gewerkschaften übermittelt, mit der Bitte sich mit den Arbeitgeberverbänden zusammenzusetzen und die Modalitäten der gewünschten Gesetzesänderungen zu verhandeln.
Nach knapp vier Monaten sind die Verhandlungen gescheitert und Anfang April 2015 wurde ein von der Regierung zusammengestellter Gesetzentwurf den Gewerkschaften übermittelt. Seitdem hat auch die Nationalversammlung diesen Gesetzentwurf verabschiedet – nun liegt er vor dem Senat, der Ende Juni 2015 Stellung beziehen soll.
Die Regierung wünscht sich eine endgültige Verabschiedung des Gesetzes noch vor dem Sommer 2015.
Inhalt der Reform für die Personalvertretung in Unternehmen mit weniger als 11 Mitarbeitern
Um in den sog. „sehr kleinen“ Unternehmen („très petites entreprises“) den sozialen Austausch und die Vertretung der Mitarbeiter zu fördern, wurden zwei Möglichkeiten in Erwägung gezogen:
- Entweder die Abschaffung der 11-Mitarbeiter-Schwelle für die Einführung der Personalvertretung oder Schaffung einer zusätzlichen Personalvertretung für diese geringere Belegschaft (nach der Logik des deutschen Rechts mit dem Betriebsrat ab 5 Mitarbeitern).
- Oder die Schaffung von betriebsüberschreitenden paritätischen Kommissionen.
Bei der ersten Lösung, die vom deutschen Recht inspiriert worden war, hätte es allerdings, der Regierung nach, u.a. zu einem Verstoß gegen das Prinzip der Vertraulichkeit der Wahlen führen können (wenn im Unternehmen de facto zu wenig Mitarbeiter beschäftigt sind).
Die Regierung hat sich also für die zweite -ebenfalls von den Gewerkschaften während der ersten gescheiterten Verhandlung bevorzugten- Lösung entschieden.
Es sollen zum 1. Juli 2017 17 betriebsüberschreitende paritätische regionale Kommissionen (Überseegebiete inbegriffen) gegründet werden, welche für alle Branchen und Unternehmen zuständig sein sollen.
Diese sollen u. a. den Arbeitnehmern und Arbeitgebern alle nötigen Informationen über das anwendbare Recht (sei es Gesetz oder Tarifvertrag) übermitteln können. Ob ein effektiver sozialer Dialog in den Unternehmen mit weniger als 11 Mitarbeitern durch diese Reform tatsächlich entstehen wird, ist durchaus fraglich.
Praxistipp:
Achten Sie darauf, wenn Ihr Unternehmen sich der 11-Mitarbeiter-Schwelle nähert, dass in Frankreich die Pflicht, eine Wahl der Personalvertreter zu organisieren, dem Arbeitgeber obliegt.
Unternehmen, die 11 Mitarbeiter seit 12 nicht zwingend hintereinander folgenden Monaten in einem Zeitraum von drei Jahren beschäftigen, müssen also selbst den ersten Schritt einleiten und können sich nicht darauf berufen, dass die Belegschaft eine solche Wahl nicht angefordert hat.
Die Nichteinhaltung dieser Pflicht wird nicht nur mit Geldstrafen geahndet sondern kann bestimmte Verfahren wesentlich beeinträchtigen, wie z. B. die Durchführung einer Umstrukturierung.
18.06.2015