Zur Fälligkeit eines anwaltlichen Erfolgshonorars in Frankreich
Das höchste französische Zivilgericht, die Cour de cassation, hatte am 28. Mai 2025 die Frage zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt ein im Voraus vereinbartes Erfolgshonorar für einen Anwalt geschuldet wird – insbesondere, wenn gegen das Urteil ein außerordentliches Rechtsmittel eingelegt wurde. Beteiligt waren ein Mandant und seine Anwältin, begleitet vom französischen Anwaltsrat (Conseil national des barreaux).
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Hintergrund des Falls
Im vorliegenden Streit beauftragte M. B. seine Anwältin Mme E. mit der rechtlichen Vertretung in einer komplizierten Aufteilung des ehelichen Vermögens (liquidation de communauté). Die Parteien schlossen eine Honorarvereinbarung, die sowohl ein Basis- als auch ein Erfolgshonorar vorsah. Nach dem Erlass des gerichtlichen Teilungsurteils und der Annahme des Aufteilungsplans durch M. B., stellte die Anwältin das Erfolgshonorar fällig. Da der Mandant nicht zahlte, rief sie den Anwaltsverband zur Festsetzung der Honorare an. M. B. wehrte sich, unter anderem mit dem Argument, das Urteil zur Vermögensteilung sei durch ein eingereichtes Überprüfungsverfahren (recours en révision) nicht rechtskräftig und somit der Honorarerfolg nicht endgültig eingetreten.
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Rechtliche Überlegungen
Kern der Auseinandersetzung war die Interpretation von Artikel 10 des Gesetzes Nr. 71-1130 vom 31. Dezember 1971, der regelt, ab wann ein Erfolgshonorar fällig ist. Nach dieser Vorschrift entsteht der Anspruch auf das Erfolgshonorar grundsätzlich erst dann, „wenn das gerichtliche Verfahren durch einen rechtsverbindlichen Rechtsakt oder eine nicht mehr anfechtbare gerichtliche Entscheidung abgeschlossen ist.“
M. B. argumentierte, dass sein Antrag auf Überprüfung des Urteils den Ablauf verhindere und deshalb noch keine Rechtskraft eingetreten sei. Die Gegenseite und der Anwaltsrat vertraten dagegen die Auffassung, dass die bloße Einlegung eines Revisionsantrags weder das Urteil automatisch aufhebe noch seine Rechtskraft verhindere, sondern nur dann eine Auswirkung habe, wenn diesem tatsächlich stattgegeben werde.
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Entscheidung und Begründung
Die Cour de cassation wies das Rechtsmittel des Mandanten vollständig zurück. Das Gericht stellte klar, dass ein Erfolgshonorar bereits dann fällig wird, wenn das ursprüngliche Urteil nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar ist – selbst wenn noch ein außergewöhnlicher Antrag auf Überprüfung (recours en révision) läuft.
Der Grund dafür: Ein Überprüfungsverfahren ist ein außergewöhnliches Rechtsmittel, das nicht automatisch die Rechtskraft des Urteils aufhebt. Erst wenn einem Überprüfungsantrag tatsächlich stattgegeben und das Urteil aufgehoben wird, verliert das Urteil seine Unanfechtbarkeit und damit die Fälligkeit des Erfolgshonorars. Allein das Einlegen eines solchen Rechtsmittels hat keine aufschiebende Wirkung.
Das Gericht stellte zudem fest, dass M. B. selbst dem Urteil damals zugestimmt („acquiesziert“) hatte, was dessen Endgültigkeit zusätzlich unterstreicht. Die Höhe des noch ausstehenden Honorars wurde von der Vorinstanz einwandfrei berechnet.
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Näheres zur Entscheidung
Mit dieser Entscheidung stärkte das Gericht die Rechtssicherheit hinsichtlich der Vergütung von Anwälten in Frankreich. Mandanten können sich nicht ohne weiteres der Zahlung eines vereinbarten Erfolgshonorars entziehen, indem sie ein außergewöhnliches Rechtsmittel nutzen, welches nur im Ausnahmefall Erfolg hat.
Cour de cassation, deuxième chambre civile, 28. Mai 2025, Pourvoi n° 23-18.908, Arrêt n° 512 F-B, ECLI:FR:CCASS:2025:C200512.
16.06.2025