Frankreich verschärft Regeln: Gesundheitspass und Impfpflicht am Arbeitsplatz
Am 05. August 2021 wurde in Frankreich ein Gesetz verkündet, welches unter anderem neue Regeln für den Gesundheitspass, den sog. „Pass sanitaire“, die französische Variante des Corona-Zertifikats, sowie die obligatorische Impfung des Gesundheitspersonals, vorsieht. Das oberste französische Verfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 05. August 2021 die verschärften Regelungen bezüglich des Gesundheitspasses sowie die Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitssektor für verfassungskonform erklärt. Die neuen Regelungen gelten seit dem 09. August und zunächst bis zum 15. November 2021.
1. Was ist der „Pass sanitaire“ und wo gilt er?
Der Gesundheitspass dient als Nachweis dafür, dass eine Person
- vollständig geimpft,
- genesen oder
- negativ getestet ist.
Er kann in digitaler Form (über die Anwendung TousAntiCovid) abgerufen oder in Papierform vorgelegt werden.
Den Gesundheitspass gibt es bereits seit dem 09. Juni 2021 in Frankreich und er war zunächst erforderlich für die Teilnahme an Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen. Ab dem 21. Juli 2021 wurde die Personenanzahl auf 50 reduziert und galt bei allen Veranstaltungsorten für Kultur-, Sport- und Freizeitaktivitäten sowie für Messen und Ausstellungen.
Seit dem 09. August 2021 ist der Gesundheitspass nunmehr, unabhängig von der Personenanzahl, zudem obligatorisch unter anderem
- in Cafés, Bars und Restaurants,
- in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen,
- bei Fernreisen mit interregionalen öffentlichen Verkehrsmitteln und
- in großen Geschäften und Einkaufszentren mit einer Fläche von mehr als 20.000 m² auf Beschluss der zuständigen Präfektur.
2. Ab wann und für welche Arbeitnehmer gilt der Gesundheitspass?
Ab dem 30. August 2021 müssen sämtliche Arbeitnehmer, die zu den in den betreffenden Räumlichkeiten tätigen Berufsangehörigen gehören, einen Gesundheitspass haben. Die Pflicht umfasst Arbeitnehmer, ehrenamtlich Beschäftigte, Leiharbeitnehmer, Dienstleister sowie Subunternehmer.
Für Arbeitnehmer unter 18 Jahren gilt diese Verpflichtung erst ab dem 30. September 2021. Sodann gelten die untenstehenden Regelungen.
Gibt es Ausnahmen?
Ausnahmen gelten für Beschäftigte, die in Bereichen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind (z.B. Büros) oder solche Beschäftigte, die außerhalb der für die Öffentlichkeit zugänglichen Zeiten tätig sind. Ebenso unterliegen Lieferpersonal, Arbeitnehmer, die Speisen zum Mitnehmen verkaufen und solche Personen, die Notfalleinsätze durchführen, nicht dieser Verpflichtung. In der Gemeinschaftsgastronomie gilt die Verpflichtungen ebenfalls nicht.
Beachten Sie: Die Maskenpflicht gilt grundsätzlich nicht an Orten, an denen ein Gesundheitspass erforderlich ist. Arbeitnehmer, die erst ab dem 30. August 2021 dazu verpflichtet sind, einen Gesundheitspass bei sich zu tragen, müssen, bis sie den entsprechenden Nachweis bei sich führen, jedoch eine Maske tragen.
In Zügen, Flugzeugen und Bussen müssen jedoch weiterhin Masken getragen werden.
3. Gibt es eine Impfpflicht und wenn ja, für wen und ab wann gilt sie?
Die von der Impfpflicht betroffenen Einrichtungen sind in Artikel 12 I des Gesetzes vom 5. August 2021 über die Bewältigung der Gesundheitskrise und in Artikel 49-2 des Dekrets vom 1. Juni 2021 aufgeführt.
Die Impfpflicht erstreckt sich insbesondere auf medizinisches und nicht-medizinisches Personal, das in Krankenhäusern, Kliniken, Pflegeheimen, betrieblichen Gesundheitsdiensten und Schulgesundheitsdiensten arbeitet, sowie Feuerwehrleute, Krankenwagenfahrer und bestimmte Haushaltshilfen.
Die betroffenen Berufsgruppen sollen bis zum 15. Oktober 2021 vollständig geimpft sein:
- Vom 09. August bis zum 14. September 2021 können die betroffenen Arbeitnehmer eine Bescheinigung über ihren Impfstatus, einen Genesenen-Nachweis (positives RT-PCR- oder Antigentestergebnis, der mindestens elf Tage und weniger als sechs Monate alt ist) oder einen negativen Test (RT-PCR, Antigentest oder Selbsttest unter Aufsicht einer medizinischen Fachkraft) vorlegen.
- Zwischen dem 15. September und 15. Oktober 2021 dürfen Arbeitnehmer, die bereits ihre erste Impfdosis erhalten haben und zusätzlich einen negativen Test vorlegen, arbeiten.
- Ab dem 16. Oktober 2021 müssen die betroffenen Personen gegenüber ihrem Arbeitgeber nachweisen, dass sie über einen vollständigen Impfschutz verfügen oder dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation oder der Genesung von einer COVID-19-Infektion nicht geimpft werden müssen.
Beachten Sie: Alle Arbeitnehmer und Auszubildenden haben Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, um sich impfen zu lassen. Diese Abwesenheitsstunden werden bezahlt und gelten als tatsächliche Arbeitszeit. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer auffordern, seine Abwesenheit zu rechtfertigen, indem er den Impftermin vorher bestätigt oder nachher den Nachweis erbringt, dass die Impfung durchgeführt wurde.
4. Kontrollmöglichkeiten des Arbeitgebers
Die Durchführung der Kontrolle des Gesundheitspasses oder der Einhaltung der Impfpflicht in den betroffenen Unternehmen erfordert die Unterrichtung und Anhörung des CSE (französischer Betriebsrat).
Sobald der Arbeitnehmer einen Gesundheitspass vorlegen oder sich impfen lassen muss, muss der Arbeitgeber überprüfen, ob der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nachkommt.
Datenschutzhinweis: Bei impfpflichtigen Arbeitnehmern sind Arbeitgeber ermächtigt, das Ergebnis der Impfkontrolle aufzubewahren. Dasselbe gilt, wenn Arbeitnehmer, die dem Gesundheitspass unterliegen, einen vollständigen Impfnachweis vorlegen. Arbeitgeber dürfen jedoch nur das Ergebnis der Kontrolle aufbewahren, nicht jedoch den Nachweis selbst. Der entsprechende QR-Code darf mithin nicht aufbewahrt werden. Im Übrigen ist die Datenschutz-Grundverordnung zu beachten.
5. Was kann ein Arbeitgeber tun, wenn ein Arbeitnehmer sich weigert, sich impfen zu lassen oder einen Gesundheitspass vorzulegen?
In diesem Fall darf der Arbeitnehmer an den Orten, an denen die Verpflichtungen gelten, nicht mehr arbeiten. Zunächst sollte dem betroffenen Arbeitnehmer Urlaub gewährt werden. Wenn es dem Arbeitnehmer nicht oder nicht mehr möglich ist, Urlaub zu nehmen, wird sein Arbeitsvertrag ausgesetzt, mit der Folge, dass er auch keine Vergütung verlangen kann. Die Dauer der Aussetzung des Arbeitsvertrags gilt nicht als tatsächliche Arbeitszeit.
Sollte die Aussetzung des Arbeitsverhältnisses länger als drei Tage andauern, muss der Arbeitgeber ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer organisieren, um gemeinsam mit diesem zu prüfen, ob bzw. welche Maßnahmen ergriffen werden können
Beachten Sie: Die Einladung zu diesem Gespräch unterliegt keiner bestimmten Form, jedoch wird empfohlen, diese schriftlich auszusprechen. Außerdem sollte ein schriftliches Protokoll des Gesprächs und über die am Ende getroffenen Entscheidungen angefertigt werden.
Es wird zudem empfohlen, das Gespräch persönlich zu führen, und zwar an einem Ort, an dem der Gesundheitspass nicht verlangt wird. Das Gespräch kann aber auch per Videokonferenz geführt werden.
Für den Arbeitgeber besteht die Möglichkeit, den Arbeitnehmer vorübergehend einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, der nicht den oben genannten Verpflichtungen unterliegt, sofern betriebliche oder organisatorische Gründe nicht dagegensprechen. Ebenfalls wäre es denkbar, den Arbeitnehmer im Home-Office arbeiten zu lassen. Jedoch besteht weder eine Rechtspflicht des Arbeitgebers den Arbeitnehmer zu versetzen noch ihn im Home-Office zu beschäftigen. Die Ruhendstellung des Arbeitsvertrags ist zeitlich nicht begrenzt. Ein automatisches Kündigungsrecht bei der Weigerung eines Arbeitnehmers sich impfen zu lassen bzw. seinen Gesundheitspass zu präsentieren sieht das Gesetz in seiner endgültigen Version nicht mehr vor.
Praxistipp:
- Ab dem 30. August geht es los: Prüfen Sie, ob ihr Unternehmen den o.g. Verpflichtungen unterliegt, und informieren Sie Ihre Belegschaft entsprechend.
- Wenn Sie neue Arbeitnehmer einstellen, sollten Sie den ausgewählten Bewerber über die Verpflichtung, die Nachweise spätestens zum Zeitpunkt der Einstellung vorzulegen, informieren.
- Grundsätzlich ruht das Arbeitsverhältnis, solange der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Ob in einem solchen Fall eine Kündigung in Betracht kommt, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen.
Arbeitsrecht in Frankreich
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24.08.2021