Entscheidung zur Zwangsmitgliedschaft in französischer Anwaltskammer
In einer aktuellen Entscheidung hat der Conseil d'Etat, das oberste Verwaltungsgericht in Frankreich, eine wichtige Entscheidung für die Anwaltschaft in Frankreich getroffen.
Ein in Marseille ansässiger Anwalt hatte gefordert, bestimmte Artikel des Dekrets Nr. 91-1197 vom 27. November 1991, welches den Anwaltsberuf regelt, und des Dekrets Nr. 2005-790 vom 12. Juli 2005 über die Berufsethik von Anwälten, sowie Artikel 1014 der Zivilprozessordnung aufzuheben. Er argumentierte, dass die Pflicht zur Eintragung in eine französische Anwaltskammer gleich mehrere Grundrechte verletze: die Berufsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, die Vertragsfreiheit, das Prinzip der Achtung der Verteidigungsrechte, die Meinungsfreiheit und das Prinzip der Unabhängigkeit der Anwälte.
In seinem Urteil vom 10. Januar 2024 wies der Conseil d'Etat diese Anträge zurück. Das Gericht stellte fest, dass Artikel 15 des Gesetzes Nr. 71-1130 vom 31. Dezember 1971, nach dem "Anwälte Teil von Anwaltskammern sind, die bei den Gerichten eingerichtet werden", nicht als bloße Option zur Eintragung in eine Kammer interpretiert werden kann. Demnach wurde das Argument des Antragstellers, die Regierung hätte mit diesem Artikel die gesetzliche Bestimmung missachtet, zurückgewiesen.
Das Gericht stellte auch klar, dass die Pflicht zur Mitgliedschaft in einer Anwaltskammer weder die Berufsfreiheit noch die Vereinigungsfreiheit beeinträchtigt, die durch Artikel 11 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantiert wird. Anwälte behielten nämlich die Möglichkeit, berufliche Vereinigungen zu gründen oder diesen beizutreten.
Zudem verletzen die Bestimmungen des Artikels 183 des Dekrets vom 27. November 1991, die Verstöße gegen allgemeine Verpflichtungen, die disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen können, weder die Vertragsfreiheit noch das Prinzip der Achtung der Verteidigungsrechte.
Die von Rechtsanwaltskammern festgelegten ethischen Verpflichtungen, die insbesondere darauf abzielen, den Schutz des Rufs oder der Rechte anderer sowie die Verhinderung von Verletzungen des Berufsgeheimnisses und die Wahrung der Würde des Berufs zu gewährleisten, stellten nach Auffassung der Richter auch keine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungsfreiheit dar.
30.01.2024