Zugang zur französischen Anwaltschaft für Juristen von Studierendenorganisationen
Die französische Cour de cassation hat am 19. März 2025 entschieden, dass ein Jurist der Studierendenorganisationen Union nationale inter-universitaire (UNI) keinen Anspruch auf eine Ausnahmeregelung zur Zulassung als Anwalt in Frankreich nach Artikel 98, 5° des Dekrets vom 27. November 1991 hat. Damit bestätigt das Gericht die Entscheidung der Vorinstanzen, die den Antrag auf Zulassung zur Anwaltskammer von Dunkerque abgelehnt hatten.
1 Hintergrund des Falls
Der Bewerber berief sich auf seine Tätigkeit als Jurist für die UNI, deren europäische Föderation European Democrat Students (EDS) sowie auf frühere Tätigkeiten als Kabinettschef zweier Bürgermeister. Die Vorinstanzen wiesen jedoch seinen Antrag zurück, insbesondere weil die nachgewiesene Berufserfahrung nicht die erforderlichen acht Jahre erfüllte und UNI nicht als „Gewerkschaft“ im Sinne des Artikels 98, 5° anerkannt wurde.
2 Streitpunkt: Ist UNI eine Gewerkschaft?
Kern des Rechtsstreits war die Frage, ob die UNI als „gewerkschaftliche Organisation“ im Sinne des Dekrets gilt. Die Cour de cassation verneinte dies und stellte klar, dass es sich bei der UNI um eine nationale Studierendenvertretung handelt, nicht aber um eine Gewerkschaft im rechtlichen Sinne. Daher könne der Bewerber die angestrebte Ausnahme von der regulären Anwaltsausbildung nicht in Anspruch nehmen.
3 Strenge Auslegung der Ausnahmeregelungen
Das Urteil folgt einer konstant strengen Linie der Rechtsprechung. Laut Artikel 98 des Dekrets ist die Befreiung von der klassischen französischen Anwaltsausbildung (Masterabschluss + 18-monatige Ausbildung + CAPA) nur in genau definierten Ausnahmefällen möglich. Bereits in früheren Urteilen wurde anderen Organisationen wie dem MEDEF oder der FNATH die Anerkennung als Gewerkschaft verweigert, weil deren Tätigkeiten nicht dem Schutz beruflicher Interessen im Sinne des Arbeitsrechts entsprechen.
4 Unterschied zwischen Studentenorganisationen und Gewerkschaften
Obwohl studentische Organisationen wie die UNI im Alltag oft als „Studierendengewerkschaften“ bezeichnet werden, unterscheiden sich ihre Tätigkeiten rechtlich und funktional von jenen echter Gewerkschaften. Letztere sind in der Lage, Tarifverträge auszuhandeln und ihre Mitglieder vor Arbeitsgerichten zu vertreten – Befugnisse, die studentischen Gruppen nicht zustehen.
Fazit: Zugang über Ausnahmen bleibt stark begrenzt
Trotz einer gewissen Öffnung für Unternehmensjuristen bleibt der Weg über Ausnahmeregelungen in den Anwaltsberuf für andere Berufsgruppen, wie z. B. Juristen in studentischen Organisationen, sehr eingeschränkt. Die Entscheidung betont, dass eine Ausnahme nicht allein auf Berufserfahrung, sondern auf einer nachgewiesenen juristischen Qualifikation basieren muss, die den hohen Anforderungen des Anwaltsberufs gerecht wird.
Erfahren Sie mehr zu Anwälten in Frankreich
09.04.2025