Erleichterter Zugang zur französischen Anwaltschaft für Unternehmensjuristen
Die französische Cour de cassation hat den Zugang zur Anwaltschaft für Unternehmensjuristen im Rahmen des Artikels 98 des Dekrets Nr. 91-1197 vom 27. November 1991 gelockert (mehr zum Standesrecht für Anwälte in Frankreich). In zwei aktuellen Entscheidungen erkennt sie die Tätigkeiten einer Arbeitsrechtsexpertin und eines Compliance-Verantwortlichen als juristische Tätigkeiten an, die zur Befreiung von der regulären Ausbildung berechtigen.
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Ein traditionell restriktiver Zugang wird gelockert
Der Zugang zur französischen Anwaltschaft setzt grundsätzlich einen Masterabschluss in Rechtswissenschaften sowie eine 18-monatige Ausbildung in einem regionalen Ausbildungszentrum für Rechtsanwälte (CRFPA) voraus, um das Zertifikat für die Eignung zur Anwaltschaft (CAPA) zu erhalten. Allerdings sieht Artikel 98 des Dekrets acht Ausnahmefälle vor, die traditionell sehr restriktiv ausgelegt wurden. Zwei neue Urteile der ersten Kammer des französischen Kassationsgerichts markieren nun einen klaren Wandel in der Rechtsprechung.
Hier erhalten Sie weiterführende Informationen zum Beruf des Anwalts in Frankreich.
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Neue Rechtsprechung: Arbeitsrecht und Compliance als juristische Tätigkeiten anerkannt
Im ersten Fall beantragte eine Bewerberin die Zulassung zur Anwaltschaft in Paris auf Basis ihrer Erfahrung als Unternehmensjuristin und ihrer Arbeit für eine Gewerkschaftsorganisation. Während der Anwaltsrat ihrem Antrag stattgab, lehnte das Berufungsgericht die Zulassung ab, da ihre Tätigkeit auch sozialwirtschaftliche Aufgaben umfasste. Die Cour de cassation hob diese Entscheidung auf und stellte klar, dass die juristische Unterstützung im Bereich Arbeitsrecht in einem Unternehmen als ausschließlich juristische Tätigkeit gewertet werden kann.
Im zweiten Fall beantragte eine Compliance-Verantwortliche die Zulassung zur Anwaltschaft in Saint-Étienne. Der Anwaltsrat lehnte dies ab, da ihre Aufgaben mit Datenschutz und Compliance zusammenhingen. Die Berufungsinstanz entschied jedoch, dass diese Tätigkeiten einen spezialisierten juristischen Dienst darstellen. Die Cour de cassation bestätigte dieses Urteil und befand, dass Compliance und Datenschutzrecht relevante juristische Fachgebiete sind.
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Ein notwendiges Update der Berufsanforderungen
Diese Entscheidungen bedeuten eine Aufweichung der strengen Anforderungen an Unternehmensjuristen, die zur Anwaltschaft wechseln wollen. Bisher war die Rechtsprechung sehr strikt und schloss viele juristische Berufsprofile aus, selbst wenn diese über fundierte Erfahrung verfügten. Nun wird anerkannt, dass sich der Beruf des Unternehmensjuristen stark gewandelt hat: Compliance, Datenschutz und Arbeitsrecht sind heute zentrale Aufgabenfelder und sollten als juristische Qualifikationen anerkannt werden.
Diese Abkehr von der traditionell strengen Auslegung des Ausnahmeartikels ist sie zu begrüßen. Sie reflektiert die zunehmende Vielseitigkeit und fachliche Spezialisierung moderner Unternehmensjuristen. Der Conseil National des Barreaux (CNB) hatte sich bereits für eine Klarstellung der Zugangsbedingungen ausgesprochen. Auch das Justizministerium sieht keine Bedenken gegen eine flexiblere Handhabung der Regeln.
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Folgen und Ausblick
Diese Entscheidung könnte den Zugang zur Anwaltschaft für Unternehmensjuristen in Frankreich erleichtern. Offen bleibt die Frage, ob weitere der sieben bestehenden Sonderregelungen überarbeitet werden. Die Cour de cassation hat sich am selben Tag auch mit dem Fall eines Juristen befasst, der für eine nationale Studentenorganisation arbeitete. Das Urteil dazu könnte weitere Hinweise auf die Richtung der Rechtsprechung geben. Wir bleiben dran!
Civ. 1re, 19 mars 2025, FS-B, n° 23-20.904
Civ. 1re, 19 mars 2025, FS-B, n° 23-19.915
03.04.2025