Frankreich: Urlaubsanspruch bei Krankschreibung – der Gesetzgeber greift ein
Wir hatten Sie im letzten Jahr bereits über die bedeutsame Rechtsprechung des französischen Kassationshofs zur Frage des Urlaubsanspruchs im Falle von Krankschreibungen hingewiesen. Diese Urteilserie erfolgte unter Einfluss der europäischen Grundrechtcharta und löste rückwirkende hohe Ansprüche der betroffenen Mitarbeiter aus.
Um diese Folgen einzugrenzen, beziehungsweise klarer zu regeln, hat der Gesetzgeber mit einem Gesetz vom 22. April 2024 folgenden Rahmen im Arbeitsgesetzbuch aufgenommen:
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Bezahlter Urlaub bei nicht berufsbedingter Krankheit
Bisher sah das Arbeitsgesetzbuch vor, dass ein Arbeitnehmer, der aufgrund einer nicht berufsbedingten Krankheit abwesend ist, während dieser Zeit keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub erwirbt.
Der französische Gesetzgeber räumt ihm nun den nach europäischem Recht bestehenden Mindestanspruch von 4 Wochen, also 24 Werktagen (inkl. Samstage) ein.
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Bezahlter Urlaub bei Arbeitsunfall oder berufsbedingter Krankheit
Mitarbeiter, die wegen Arbeitsunfall oder berufsbedingter Krankheit krankgeschrieben sind, hatten zwar zuvor Anspruch auf den vollen bezahlten Urlaub, allerdings im Rahmen von maximal einem Jahr.
Diese Begrenzung wird aufgehoben. Allerdings vermeiden neue Regelungen zur möglichen Übertragung des Urlaubsanspruchs eine zu hohe Kumulierung der Ansprüche (s. folgender Punkt).
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Neue Informationspflicht des Arbeitgebers
Achtung ! Wenn der Mitarbeiter nach einer Krankschreibung ins Unternehmen zurückkehrt, muss ihn nun der Arbeitgeber über den Stand seines Urlaubsanspruchs informieren, selbst bei kurzen Krankschreibungen. Hierfür hat er einen Monat Zeit.
Erst nach erfolgter Information startet eine Frist von 15 Monaten, in welcher der Mitarbeiter seinen Urlaub nehmen kann. Nach Ablauf der 15 Monate geht der Anspruch verloren.
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Rückwirkung der Ansprüche – Verjährungsfrist
Der Gesetzgeber hat entschieden, Mitarbeitern eine Geltendmachung ihrer Ansprüche für den rückwirkenden Zeitraum bis zum 1. Dezember 2009 zu ermöglichen. Dies ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon, der der europäischen Grundrechtcharta eine direkte Anwendbarkeit verlieh.
Hierfür verfügen Mitarbeiter mit laufenden Verträgen über 2 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis zum 24. April 2024; Mitarbeiter, die das Unternehmen bereits verlassen haben, über 3 Jahre nach Beendigung des Arbeitsvertrages.
Praxistipp
- Die meisten Lohnbüros sollten diese Änderungen im Blick haben, prüfen Sie aber dennoch bei der nächsten Krankschreibung in Ihrem Unternehmen, ob sie auch eingehalten werden.
- Jede Krankschreibung sollte bei Ihnen mit dem Schritt verbunden sein, den Mitarbeiter nach seiner Rückkehr über den Stand seines Urlaubsanspruchs zu informieren.
- Es ist in den nächsten 2 bis 3 Jahren mit vielen Rückerstattungsforderungen zu rechnen. Die Höhe der notwendigen Rückstellungen sollte mit Ihrem Lohnbüro bewertet werden.
29.04.2024