Neuigkeiten im französischen Arbeitsrecht für das Jahr 2010
Mitarbeiter über 50
- Neues Verfahren für die Versetzung in den Ruhestand
Im Gegensatz zu einem deutschen Arbeitsvertrag endet der französische Arbeitsvertrag nicht automatisch bei Erreichen des Rentenalters. Vielmehr muss der Arbeitnehmer in den Ruhestand versetzt werden. Dies war bis vor kurzem ohne weiteres möglich wenn der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr erreicht und genügend Beiträge zur Rentenversicherung geleistet hatte.
Seit dem 1. Januar 2010 unterliegt jedoch die Versetzung in den Ruhestand zwischen 65 und 70 Jahren einem besonderen Verfahren: Sie ist nur möglich, wenn sich der Arbeit-nehmer damit einverstanden erklärt hat, bzw. der Versetzung nicht widersprochen hat. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer 3 Monate vor Vollendung des 65. Lebensjahres schriftlich fragen, ob er beabsichtigt, aus dem Unternehmen freiwillig auszuscheiden, um eine Altersrente zu beziehen. Der Arbeitnehmer muss dann innerhalb eines Monats hierauf antworten.
Im Falle einer Ablehnung durch den Arbeitnehmer (oder wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Befragung des Arbeitnehmers nicht nachgekommen ist) darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während eines Jahres nicht in den Ruhestand versetzen. Der Arbeitgeber muss dann im folgenden Jahr erneut beim Arbeitnehmer fragen, ob dieser mit dem Ruhestand einverstanden ist. Dieses Verfahren soll jedes Jahr wiederholt werden, bis der Betroffene das 70. Lebensjahr erreicht hat. Erst ab 70 Jahren darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne vorherige Zustimmung in den Ruhestand versetzen.
Will man sich von einem Mitarbeiter, der das 65. Lebensjahr erreicht hat, aber noch nicht 70 Jahre alt ist, trennen, kommt nur die Zustimmung zur Versetzung in der Ruhestand oder aber eine Kündigung in Betracht.
Nur im Falle einer positiven Antwort des Arbeitnehmers oder wenn sich dieser innerhalb der einmonatigen Frist dazu nicht äußert darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in den Ruhestand versetzen.
- Zu zahlende Sozialabgaben und Lohnsteuer bei der Entschädigung, die bei der Versetzung in den Ruhestand bezahlt wird
Wenn ein Mitarbeiter in den Ruhestand versetzt wird, zahlt das Unternehmen eine Entschädigung, deren Höhe vom Gesetz oder vom Tarifvertrag festgelegt wird.
Diese Entschädigung war bisher lohnsteuerfrei bis zu einem Betrag von 3.050 €. Ab 2010 wird sie schon ab dem 1. Euro besteuert. Durch diese Regelung wird deutlich, dass die französische Regierung möglichst lange Arbeitszeiten wünscht.
Was die Sozialabgaben betrifft unterliegt die Entschädigung einer speziellen Abgabe, die seit dem 1. Januar 2009 50 % der Entschädigungshöhe beträgt.
- Beschäftigung von Senioren
Die französische Regierung hat zum Ziel, die Beschäftigung von Senioren zu verstärken. Hierfür hat sie mit Gesetz vom 17. Dezember 2008 von allen Unternehmen verlangt, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, dass sie bis zum 31. Dezember 2009 eine Betriebsvereinbarung abschließen, die Maßnahmen zur Förderung der Einstellung und der Beschäftigung von Senioren bietet.
Für Unternehmen mit weniger als 300 Mitarbeitern können diese Maßnahmen auf tarifvertraglicher Ebene verhandelt werden.
Unternehmen, die dieser Pflicht nicht nachgegangen sind, müssen ab dem 1. Januar 2010 am Ende jedes Monats eine Strafe in Höhe von 1 % aller Vergütungen, die im Monat an die Mitarbeiter bezahlt worden sind, zahlen. Allerdings wurde Unternehmen mit 50 bis 300 Mitarbeitern ein Aufschub bis April 2010 gewährt.
Zugang zu den Dateien der Mitarbeiter auf dem beruflichen PC
Am 8. Dezember 2009 hat der französische Kassationshof betont, dass lediglich die Dateien, die mit dem Vermerk „persönlich“ gekennzeichnet sind, auch als solche gelten und dementsprechend für den Arbeitgeber unzugänglich sind.
Der Name oder Vorname des Mitarbeiters als Dateiname reicht nicht aus, um die Datei vor dem Arbeitgeber zu schützen.
Zustellung des Kündigungsschreibens
Am 16. Dezember 2009 hat der französische Kassationshof entschieden, dass das Einschreiben mit Rückschein lediglich dem Nachweis der Zustellung des Kündigungsbriefs dient, jedoch keine Gültigkeitsvoraussetzung darstellt. Demzufolge kann z. B. ein Kündigungsschreiben dem Mitarbeiter persönlich ausgehändigt werden. Allerdings wird in diesem Fall empfohlen, eine Empfangsbestätigung einzuholen.
Gleichbehandlung
Im französischen Arbeitsrecht herrscht der Grundsatz „à travail égal, salaire égal“: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Unterschiede bei der Vergütung vom Arbeitnehmer müssen objektiv gerechtfertigt werden. Die französische Rechtsprechung hat im letzten Jahr interessante aber auch problematische Urteile zu diesen Themen verkündet.
In einer Entscheidung vom 28. Oktober 2009 des französischen Kassationshofs wurde erläutert, dass verschiedene Betriebe eines selben Unternehmens den selben kollektiven Vergütungsregelungen unterliegen müssen, es sei denn die Verhandlung von Betriebsvereinbarungen findet auf der Ebene jedes einzelnen Betriebs und nicht auf zentraler Ebene statt.
Eine Entscheidung vom 1. Juli 2009 wird wahrscheinlich für ein maßloses Chaos sorgen: Die Richter des französischen Kassationshofs haben entschieden, dass die Zugehörigkeit zu einer beruflichen Kategorie (Arbeiter, Angestellte, leitende Angestellte) an sich keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen kann.
Die Auswirkungen dieser Entscheidung waren den Richtern sicherlich nicht bewusst: Angesichts der Tatsache, dass alle französischen Tarifverträge die meisten Ansprüche und finanziellen Vorteile der Mitarbeiter (wie z. B. Anzahl der Urlaubstage, Höhe der Kündigungsentschädigung, Dauer der Probezeit oder der Kündigungsfrist) je nach beruflicher Kategorie anders festlegen, wurde mit dieser Entscheidung das Tor zur Geltendmachung von Rechten einer anderen beruflichen Kategorie eröffnet.
Ein Schritt in diese Richtung wurde bereits gemacht: Das Berufungsgericht von Montpellier hat am 4. November 2009 unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 1. Juli 2009 einer Angestellten die längere Kündigungsfrist und die höhere Kündigungsentschädigung eines leitenden Angestellten zugesprochen, mit der Begründung, dass der Unterschied nicht objektiv gerechtfertigt ist!
Verlängerung der Probezeit
Der französische Kassationshof hat am 25. November 2009 entschieden, dass die Verlängerung der Probezeit zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart werden und aufgrund einer klaren und eindeutigen Willenserklärung des Arbeitnehmers erfolgen muss.
In entscheidendem Fall hatte der Arbeitgeber kurz vor dem Ablauf des ursprünglichen Zeitraums den Betroffenen ein Schreiben unterzeichnen lassen, im dem die „einvernehmliche“ Entscheidung zur Verlängerung der Probezeit um drei Monate bestätigt wurde. Der Arbeitnehmer hatte dieses Schreiben gegengezeichnet.
Der Arbeitnehmer reichte Klage gegen den Arbeitgeber ein, weil der Arbeitgeber die Probezeit während deren Verlängerung beendet hatte und obsiegte im Verfahren, da nach Auffassung der obersten französischen Richter die bloße Tatsache, dass der Arbeitnehmer das Schreiben des Arbeitgebers gegengezeichnet hat, nicht ausreichte, um die Willenserklärung als klar und eindeutig zu bezeichnen.
In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass sich ein Arbeitgeber, der sich mit einem Arbeitnehmer über die Verlängerung der Probezeit geeinigt hat, letzteren diese Vereinbarung mit eigenen Worten – am besten handschriftlich – niederschreiben lassen sollte. Es dürfte nach dieser Rechtsprechung davon abzuraten sein, einen Arbeitnehmer ein vorformuliertes Schreiben unterschreiben zu lassen.
23.02.2010