Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Unternehmenskäufen in Frankreich
Der Verkauf eines Unternehmens in Frankreich unterliegt einer Reihe von Verpflichtungen, insbesondere aus dem Arbeitsrecht. Der Verkäufer muss vor dem Verkauf verschiedene gesetzliche Anforderungen erfüllen, um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmenden ordnungsgemäß informiert und angehört werden.
Zu den wichtigsten Verpflichtungen der Zielgesellschaft zählen (1.) die Informationspflicht der Arbeitnehmenden gemäß der sogenannten Loi Hamon sowie ggf. (2.) das Verfahren der Information und Anhörung des Betriebsrats (Comité social et économique - CSE).
1. Informationspflicht der Arbeitnehmenden gemäß Loi Hamon
Die Loi Hamon vom 31. Juli 2014 verpflichtet Verkäufer von Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeitende beschäftigen, die Arbeitnehmenden rechtzeitig über eine geplante Veräußerung zu informieren. Diese Regelung verfolgt das Ziel, den Arbeitnehmenden die Möglichkeit zu geben, selbst ein Übernahmeangebot abzugeben.
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Anwendungsbereich:
- Gilt für Unternehmen mit 1 bis 250 Beschäftigten und deren Jahresumsatz 50 Millionen Euro oder eine Bilanzsumme von 43 Millionen Euro nicht übersteigt.
- Greift bei einem Verkauf der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft oder im Rahmen eines Asset Deals (cession de fonds de commerce).
- Greift nicht, wenn die Zielgesellschaft sich in einem insolvenzrechtlichen Verfahren (conciliation, redressement oder liquidation judiciaire) befindet.
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Fristen und Verfahren:
- Die Arbeitnehmenden müssen mindestens zwei Monate vor dem Verkauf informiert werden.
- Die Information muss klar, schriftlich und detailliert erfolgen. In der Praxis – und abhängig von der Anzahl an Arbeitnehmenden – kann die Informationspflicht z. B. durch ein persönliches Schreiben an jeden Arbeitnehmenden erfüllt werden oder durch eine Arbeitnehmerversammlung, bei welcher jeder Arbeitnehmende z. B. eine Präsenzliste unterzeichnet.
- Der Verkauf kann nicht vor Ablauf dieser Frist erfolgen, es sei denn, alle Arbeitnehmenden haben ausdrücklich erklärt, kein Interesse an einem Kauf zu haben.
- Bei Nichtbeachtung drohen Sanktionen für den Verkäufer, insbesondere eine Bußgeld von bis zu 2 % des Kaufpreises, der Verkauf ohne Einhaltung dieser Vorschrift bleibt aber wirksam.
- Sollten Arbeitnehmende ihren Kaufwunsch äußern, ist der Verkäufer auch nicht verpflichtet, diesen Angeboten nachzugehen – er kann das Unternehmen an den ursprünglichen Kaufinteressenten verkaufen.
! Praxistipp: Um diese Informationspflicht rechtmäßig zu erfüllen, müssen nur sehr wenige Informationen mitgeteilt werden, und zwar:
- Der Wunsch des Verkäufers, das Unternehmen zu veräußern;
- Die Tatsache, dass jeder Arbeitnehmende ein Kaufangebot machen darf – ggf. unter welcher Frist.
Dabei ist der Verkäufer keineswegs verpflichtet den Entwurf des Kaufvertrags, den Kaufpreis, den Käufer oder andere sonstige Details preiszugeben. Da eine einmal erfolgte Information über ein Verkaufsvorhaben zwei Jahre Bestand hat, müssen die Arbeitnehmenden nicht erneut informiert werden, wenn sie innerhalb der letzten beide Jahre bereits einmal über einen möglichen Verkauf des Unternehmens informiert wurden. In einem solchen Falle müssen nur alle seit der letzten Information neueingestellten Arbeitnehmenden benachrichtigt werden.
2. Anhörungsverfahren (information-consultation) des Betriebsrats
Für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden ist der Arbeitgeber daneben verpflichtet, den Betriebsrat vor dem Verkauf zu informieren und anzuhören. Dieses Verfahren ist unabhängig und kumulativ mit der Informationspflicht gemäß Loi Hamon.
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Pflichten des Verkäufers:
- Der Betriebsrat muss vor der Unterzeichnung des Kaufvertrags angehört werden.
- Die Informationen müssen umfassend und präzise sein, insbesondere bezüglich der Modalitäten und der Gründe des Projekts, der Auswirkungen des Verkaufs auf die Arbeitsplätze, die Arbeitsbedingungen und die Organisation des Unternehmens sowie der wirtschaftlichen und umweltrechtlichen Konsequenzen des Projekts.
- Die Anhörung erfolgt in einer oder mehreren Terminen in Anwesenheit des Arbeitgebers, wobei der Betriebsrat in der Regel einen Monat Zeit hat, eine Stellungnahme abzugeben.
- In komplexeren Fällen ist es nicht unüblich, dass der Betriebsrat sein Recht zur Bestellung eines externen Sachverständigen ausübt. Dies verlängert das Verfahren um einen Monat, daher sollte im Rahmen des Transaktions-Zeitplans immer mit einer Dauer von 3 Monaten gerechnet werden (in der Regel max. 2 Monate Verfahren + 1 Monat Vorbereitung der Unterlagen).
- Die Anhörung gilt als abgeschlossen, wenn der Betriebsrat seine Stellungnahme abgegeben hat oder die Frist abgelaufen ist.
Diese Informations- und Anhörungspflicht gilt auch für den Käufer, soweit dieser eine französische (Tochter-)Gesellschaft mit mindestens 50 Arbeitnehmenden ist.
! Praxistipp: Die Stellungnahme des Betriebsrats ist verpflichtend, jedoch kann die Veräußerung der Zielgesellschaft auch bei einer negativen Stellungnahme des Betriebsrats durchgeführt werden, soweit die Information des Betriebsrats vollständig ist.
Es ist zwingend darauf zu achten, dass sich der Verkäufer vor der Abgabe der Stellungnahme des Betriebsrats auf keinen Fall vertraglich binden darf. Er darf also weder einen Kaufvertrag (und sei es einen, der aufschiebend bedingt durch den Abschluss des Anhörungsverfahrens ist) noch eine sonstige Verpflichtung unterzeichnen.
Falls der Verkäufer bereits vor der Stellungnahme des Betriebsrats den Käufer binden möchte, können Käufer und Verkäufer gemeinsam eine sogenannte Put-Option vereinbaren, in der sich der Käufer unwiderruflich zum Kauf verpflichtet, der Verkäufer allerdings frei ist, den (bereits im Detail ausverhandelten und der Optionsvereinbarung angefügten) Kaufvertrag selbst zu unterzeichnen. Eine weitere Möglichkeit besteht im Abschluss einer Absichtserklärung (Memorandum of Understandanding – MoU), in der die Parteien ihre Absicht bekunden, den bereits ausverhandelten und als Anlage zum MoU beigefügten Kaufvertrag zu unterzeichnen, sobald das Anhörungsverfahren abgeschlossen ist. Wichtig ist hier nur, dass jegliche Bindungswirkung ausdrücklich ausgeschlossen wird. Im Unterschied zur Put-Option entsteht durch eine derartige Absichtserklärung für keine der Parteien Bindungswirkung, sowohl der Verkäufer als auch der Käufer kann damit noch vom geplanten Kauf Abstand nehmen.
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Sanktionen bei Nichteinhaltung des Anhörungsverfahrens des Betriebsrats
Die Nichteinhaltung der oben genannten Verpflichtung kann schwerwiegende Konsequenzen haben:
- Zivilrechtliches Risiko: Der Betriebsrat ist berechtigt diverse gerichtliche Zwangsmaßnahmen umzusetzen, wie : (i) die Anordnung zur Übermittlung der fehlenden Elemente an den Betriebsrat, (ii) die Durchführung des Informations- und Anhörungsverfahrens ggf. unter Verhängung von Zwangsgeldern, (iii) die Aussetzung des Veräußerungsprojekts, solange der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert und angehört wurde bzw. ggf. (iv) die Annullierung des Verkaufs, und hat zusätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft.
- Strafrechtliche Haftung: Der gesetzliche Vertreter des Unternehmens und/oder Vertreter des Arbeitgebers vor dem Betriebsrat macht sich strafbar und riskiert eine Haft- oder Geldstrafe wegen Behinderung des Betriebsrats (délit d’entrave).
3. Verkäuferpflichten nach Mitarbeitendenanzahl
Anzahl der Mitarbeitenden* | Informationspflicht gem. Loi Hamon |
Verpflichtung zur Anhörung des Betriebsrats |
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< 50 | Ja, Arbeitnehmende müssen informiert werden. | Nein, allerdings empfohlen bei Unternehmen mit Betriebsrat (ab 11 Arbeitnehmenden). |
50 – 249 | Ja, Arbeitnehmende müssen informiert werden. | Ja, der Betriebsrat muss angehört werden. |
≥ 250 | Nein. | Ja, der Betriebsrat muss angehört werden. |
* vorausgesetzt Jahresumsatz < 50 Millionen Euro oder Bilanzsumme < 43 Millionen Euro
Im Hinblick auf den Zeitplan der Transaktion sind beide Anhörungs- bzw. Informationspflichten wie folgt gemeinsam zu betrachten:
Achtung: Aufgrund des bereits angesprochenen Risikos der Bestellung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat sowie der Vorbereitung der Unterlagen empfehlen wir immer eine Dauer von ca. 3 Monaten vor dem angestrebten Vollzugsdatum der Transaktion für die Durchführung aller Arbeitnehmerinformationsverpflichtungen einzuplanen.
Fazit
Der Verkauf eines Unternehmens mit Arbeitnehmenden erfordert eine sorgfältige Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften in Frankreich. Während die Loi Hamon in kleinen und mittleren Unternehmen den Arbeitnehmenden ein Vorverkaufsrecht einräumt – das jedoch tatsächlich nur sehr selten ausgeübt wird und vor allem, woran der Verkäufer nicht gebunden ist –, ist in größeren Unternehmen die Anhörung des Betriebsrats ein unverzichtbarer und zeitaufwendiger Meilenstein. Eine frühzeitige Planung und eine transparente Kommunikation sind entscheidend, um rechtliche Risiken zu minimieren und den Verkaufsprozess reibungslos zu gestalten.