Skandale im Unternehmen vermeiden durch effektiven Hinweisgeberschutz
In Deutschland nichts Neues: Noch immer ist der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes zur Umsetzung der Whistleblower Richtline nicht verabschiedet worden. Obwohl die Annahme des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) für den 31. März 2023 erwartet wurde, ist die Abstimmung im Deutschen Bundestag abgesagt worden. Die Bundestagsfraktionen hatten sich kurzfristig darauf geeinigt, den Punkt von der Tagesordnung zu streichen. Ein kurz vor Weihnachten durch den Bundestag beschlossenes Gesetz war sodann vom Bundesrat gestoppt worden, weil einige Bundesländer eine zu hohe finanzielle Belastung für kleine und mittlere Unternehmen befürchteten.
Können deutsche Unternehmen sich also in Sachen Hinweisgeberschutz zurücklehnen? Keineswegs!
Kontrollsysteme am Arbeitsplatz wie interne Hinweisgeber-Systeme schaffen die Möglichkeit, rechtliche Risiken und Missstände in Unternehmen frühzeitig zu erkennen und zu beheben, und so Imageschäden durch an die Öffentlichkeit gelangende Informationen zu vermeiden. Wie wichtig das ist, hat nicht zuletzt der jüngste Korruptionsskandal bei dem Immobilienkonzern Vonovia gezeigt. Die Durchführung einer Razzia an mehreren Standorten der Wohnungsbaugesellschaft, ausgelöst durch Korruptionsvorwürfe gegen Mitarbeitende, hatte für viel öffentliches Aufsehen und Negativschlagzeilen gesorgt.
Die Einrichtung von internen Hinweisgebersystemen kann Korruption im Unternehmen erschweren, vielleicht sogar verhindern.
Hinweisgeberschutz: In Frankreich längst verpflichtend
Stellt es in Deutschland daher bisher nur eine eindeutige Empfehlung dar, sich präventiv, im Interesse der Integrität des Unternehmens, mit einem gut funktionierenden Hinweisgebersystem auszustatten, ist dies in Frankreich längst Pflicht: Das französische Gesetz vom 21. März 2022 setzt die Whistleblower Richtlinie vollumfänglich um, und geht sogar über die europäischen Bestimmungen hinaus.
Dieses Gesetz verbessert das allgemeine Schutzsystem, das mit dem sogenannten "Sapin II"-Gesetz von 2016 eingeführt wurde und bereits die Verpflichtung zur Einrichtung interner Meldekanäle für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten vorsah.
Auch in Frankreich war der Status von hinweisgebenden Personen über mehrere Skandale, die die Öffentlichkeit erschüttert hatten, immer unumgänglicher geworden. Bekannt unter „Mediator“ und „Orpéa“ haben Whistleblower Gesetzesverstöße direkt an die Öffentlichkeit gebracht, die Mitunter auch zu empfindlichen Sanktionen der betroffenen Unternehmen geführt haben.
Die Whistleblower-Fälle Mediator und Orpéa
So kam im Fall Mediator durch eine Hinweisgeberin ans Licht, dass das französische Pharmaunternehmen Servier die Risiken des als Antidiabetikum auf den Markt gebrachten, aber häufig als Appetitzügler verschriebenen Medikaments Mediator verschleiert hatte.
Mehr als zehn Jahre nach der Entdeckung des Skandals wird das Unternehmen für schuldig befunden und in erster Instanz dazu verurteilt, dem Staat eine Geldstrafe in Höhe von 2,7 Millionen Euro zu zahlen, und alle gemeldeten Opfer in Höhe von rund 180 Millionen Euro zu entschädigen. Seit Anfang des Jahres 2023 läuft der Berufungsprozess in der Sache.
Auch die Orpéa-Affäre, in der Hinweisgeber Anfang 2022 Missstände in Einrichtung Unterbringungseinrichtung für pflegebedürftige ältere Menschen (sog. „EHPAD“) und Altenheime der Orpéa-Gruppe an die Öffentlichkeit brachten, hat zu einem wahrhaften Pflegeskandal geführt. Orpéa muss nun nach den zahlreichen Hausdurchsuchungen und herben Börsenverlusten, einen Weg finden seine Schulden zu begleichen und seinen Ruf wieder aufzubauen.
Prävention durch Compliance-Prüfung
Ob in Deutschland oder in Frankreich: Unternehmen sind gut darin beraten ihr Compliance-System auf den Prüfstand zu stellen und durch die Implementierung eines gut funktionierenden Hinweisgebersystems einen effektiven und rechtskonformen Hinweisgeberschutz zu gewährleisten.
Dabei kann es besonders interessant sein, in Anbetracht allgemeiner Personalknappheit und zur Vermeidung von Interessenkonflikten, die Einrichtung und Verwaltung auf externe Personen zu übertragen, die die Anforderungen an Vertraulichkeit und Unparteilichkeit erfüllen, welche die Whistleblower-Regulierung erfordert.
Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit unserer Élève avocate Alessandra Pedinotti verfasst.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Hinweisgeberschutz Ihrer französischen Mitarbeitenden und Tipps zur Einrichtung einer Whistleblowerplattform für Ihr Unternehmen.
19.04.2023